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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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zu diesem Thema Stellung zu beziehen, spielte Cornelius Carringtons Kopf nicht mehr mit. Und da seine Existenz von seiner Fähigkeit abhing, rigide Meinungen zu praktisch jedem Thema unter der Sonne zu vertreten, ohne dabei mehr als die Hälfte seiner Zuschauer zu vergrätzen, verbrachte er sein Leben in einem Zustand unentschlossenen Engagements. Selbst jetzt, wo er sich dem einfachen Fall von Skullions Rausschmiß konfrontiert sah, mußte er entscheiden, auf welcher Seite die Engel waren. Skullion war irrelevant, ein Mittel zum Zweck und überaus telegen, doch ansonsten unwichtig. Man würde ihn vor die Kameras stellen, ihn ermutigen, ein paar unartikulierte, aber bewegende Sätze zu sprechen, und dann mit seiner Gage nach Hause schicken, dem sicheren Vergessen entgegen. Die Kernfrage irritierte Carrington. Wen sollte man für die dem alten Faktotum widerfahrene Ungerechtigkeit verantwortlich machen, welchen Aspekt des Lebens in Cambridge anprangern? Den alten oder den neuen? Etwa Sir Godber, der sich offenbar alle Mühe gab, Porterhouse mit seiner Atmosphäre mittelalterlicher Klösterlichkeit in ein anspruchsvolles College mit modernen Einrichtungen zu verwandeln? Oder den Dekan und die Fellows, deren sportlichen Snobismus Carrington persönlich so unerträglich fand? Oberflächlich betrachtet war Sir Godber der Schurke, doch andererseits sprach viel dafür, den Dekan runterzuputzen, ohne dessen Widerspenstigkeit die für den Rausschmiß des Oberpförtners verantwortlichen Sparmaßnahmen nicht erforderlich gewesen wären. Er mußte sich mit Sir Godber unterhalten, was ohnehin unerläßlich war, um die Dreherlaubnis für die Sendung zu erhalten. Carrington nahm den Hörer ab und wählte das Rektorhaus an.
    »Ah, Sir Godber«, sagte er, als der Rektor abnahm, »mein Name ist Carrington, Cornelius Carrington.« Er verstummte und hörte sich an, wie der Tonfall des Rektors den Übergang von gleichgültig zu interessiert vollzog. Sir Godber war offensichtlich ein Mann, der seine Medien kannte, wodurch er in Carringtons Achtung stieg.
    »Natürlich. Kommen Sie doch zum Mittagessen. Ganz wie Sie wollen, hier oder im Speisesaal«, sprudelte es aus Sir Godber heraus. Carrington sagte, es sei ihm ein Vergnügen. Er verließ den Blauen Eber und ging zu Fuß in Richtung Porterhouse.
    Sir Godber saß aufgekratzt in seinem Arbeitszimmer. Eine Sendung über Porterhouse von Cornelius Carrington – welch unerwartetes Glück, die Chance für ihn, sich wieder einmal in der Öffentlichkeit bemerkbar zu machen, und eine günstige Gelegenheit, seine Bildungsphilosophie unter die Leute zu bringen. Wenn er es sich recht überlegte, würde er auf dem Bildschirm eine gute Figur abgeben. Dagegen bezweifelte er, ob der Dekan genausogut rüberkäme, immer vorausgesetzt, der alte Trottel wäre bereit, bei einem so neumodischen Kram mitzumachen. Er war immer noch vollauf mit dem Brainstorming für eine Liste der von ihm geplanten Änderungen im College beschäftigt, als es klingelte und das Aupair-Mädchen Cornelius Carrington meldete. Der Rektor stand auf, um ihn zu begrüßen.
    »Ich freue mich über Ihren Besuch«, sagte er herzlich und wies Carrington den Weg ins Arbeitszimmer. »Ich hatte ja keine Ahnung, daß Sie ehemaliger Porterhouse-Student sind, und wenn ich ganz ehrlich sein soll, ich kann es auch jetzt kaum glauben. Das ist keineswegs abwertend gemeint, glauben Sie mir. Ich bin ein großer Bewunderer von Ihnen. Ihre Sendung über Epilepsie in Flintshire fand ich hervorragend. Es ist nur so, daß ich dieses College eher mit einer weniger verantwortungsbewußten Einstellung zu modernen Problemen in Zusammenhang bringe.« Als der Rektor merkte, daß er vielleicht ein wenig zu exaltiert klang, bot er Carrington einen Drink an. Der sah sich anerkennend in dem Zimmer um. Hier erinnerten ihn keine Fotos an die Bedeutungslosigkeit seiner Jugendzeit, und nach den höflichen Grobheiten des Dekans konnte er Sir Godbers Verehrung zur Abwechslung gut vertragen.
    »Eine ausgezeichnete Idee von Ihnen, diese Sendung über das College«, fuhr Sir Godber fort, als sie Platz genommen hatten. »Genau das braucht das College: eine kritische Durchleuchtung der alten Traditionen mit dem Hinweis auf notwendige Veränderungen. Ich könnte mir vorstellen, daß Ihnen etwas in der Art vorschwebt?« Sir Godber schaute ihn erwartungsvoll an. »Ganz recht«, antwortete Carrington. Sir Godbers Allgemeinplätze ließen alle Möglichkeiten offen. »Allerdings

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