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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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gehässig ein. »Das kommt ziemlich unerwartet, Herr Rektor«, sagte der Obertutor.
    Sir Godber nahm sich etwas Stilton. »Einige Themen, Herr Obertutor, sind nun einmal im wesentlichen geschlechtsspezifisch, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie möchten doch wohl kaum von einer jungen Frau wegen einer Abtreibung um Rat gefragt werden.«
    Der Obertutor trennte sich überstürzt von einer Mango. »Ganz gewiß nicht«, stotterte er.
    »Diese Möglichkeit dürfen wir nämlich nicht außer acht lassen«, fuhr Sir Godber fort. »So etwas kommt vor, und daher empfiehlt es sich, eine Tutorin zur Hand zu haben.« Am Tischende lächelte der Dekan vergnügt. »Und womöglich einen im Haus wohnenden Chirurgen?« schlug er vor. Der Rektor errötete. »Sie finden dieses Thema amüsant, Dekan?« erkundigte er sich.
    »Weniger das Thema, Herr Rektor, als die Verrenkungen des liberalen Gewissens«, antwortete der Dekan und lehnte sich amüsiert zurück. »Einerseits haben wir das heftige Bedürfnis, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern. Mit der Begründung, ihre Nichtzulassung sei diskriminierend, nehmen wir Frauen in ein bisher rein männliches College auf. Als nächstes halten wir es für nötig, in der Studententoilette einen Kondomautomaten aufzustellen und ein Abtreibungsberatungszentrum – wohl in der Kammer der Klofrau. Herrliche Aussichten für Eltern, zu wissen, daß für das Wohlergehen ihrer Töchter so gut gesorgt wird. Zweifellos wird es bald eine Collegekinderkrippe und eine hauseigene Klinik geben.«
    »Sex ist kein Verbrechen, Dekan.«
    »In meinen Augen fällt vorehelicher Verkehr in die Kategorie Einbruchsdiebstahl«, sagte der Dekan. Er schob seinen Stuhl zurück, und alle standen auf, als er das Dankgebet sprach. Als der Rektor durch den Garten zurückging, verspürte er wieder dieses Unbehagen, das ihn nach einem Essen im Speisesaal immer beschlich. Daß der Dekan solch ein Selbstvertrauen ausstrahlte, machte ihn mißtrauisch. Sir Godber konnte es nicht genau lokalisieren, aber das Gefühl war da. Es lag nicht einfach nur am Auftreten des Dekans. Es hing mit dem Speisesaal zusammen. Dort herrschte eine unbestimmt barbarische Atmosphäre wie in einem durch fünfhundertjährige Benutzung geweihten Schrein zur Verehrung des Appetits. Wie viele Kadaver waren in seinen Mauern verschlungen worden?
    Und welchen seltsamen Sitten hatten diese längst begrabenen Generationen gehuldigt? Vorrenaissancemänner, vorwissenschaftliche Männer und Männer aus dem Mittelalter hatten dort gesessen, gegrölt und gegrübelt ... Beim Gedanken an den Aberglauben, dem sie angehangen hatten, bekam Sir Godber eine Gänsehaut, als könne er den Zeitfaden durchtrennen, der ihn mit ihrer Tierhaftigkeit verband. Er wollte sich unbedingt von ihnen lösen. Er war ein rationaler Mensch. Plötzlich erschreckte ihn der in diesem Ausdruck enthaltene Widerspruch. Ein rationaler Mensch, frei von den absurden Fesseln dieser durch ihre Unwissenheit gehemmten Männer, deren Spekulationen über das Wesen von Engeln und Teufeln, über Alchemie und Aristoteles heute geradezu wahnsinnig anmuteten. Sir Godber blieb im Garten stehen, von der Vorstellung übermannt, daß er das Produkt einer derart seltsamen Spezies war. Ihm waren sie so fern wie prähistorische Tiere, und doch bewohnte er von ihnen errichtete Gebäude. Er aß in demselben Speisesaal, in dem sie gegessen hatten, und selbst jetzt stand er auf dem Boden, über den sie gegangen waren. Beunruhigt von dieser neuen Sicht seines Stammbaumes, sah sich Sir Godber in der ihn umgebenden Dunkelheit um, ehe er zum Rektorhaus eilte. Erst als er die Tür geschlossen hatte und unter dem elektrischen Licht im Flur stand, fühlte er sich wieder sicher. Er ging in den Salon, wo sich Lady Mary im Fernsehen eine Reportage über Senilitätsprobleme ansah. Sir Godber ließ sich durch mehrere geriatrische Abteilungen führen, ehe ihm peinlich bewußt wurde, daß seine simple Gleichsetzung von Fortschritt und Besserung nicht auf das Altern des menschlichen Körpers zutraf. Mit der Überlegung, er würde lieber in die Vergangenheit zurückkehren, wenn ihm die Zukunft das bereithielt, begab er sich zu Bett. Skullion kehrte zur Polizeistunde aus dem »Themseruderer« nach Hause zurück. Er hatte nichts zu Abend gegessen, und acht große Guinness hatten an seiner Auffassung, daß er schändlich behandelt worden war, nichts geändert. Er stolperte ins Pförtnerhäuschen, Walters Protest ignorierend seine Frau

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