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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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glaube ich kaum, daß der Dekan damit einverstanden sein wird.« Sir Godber sah ihn durchdringend an. Er hatte da eine Spur von Gehässigkeit herausgehen, was er sehr ermutigend fand.
    »Ein origineller Mensch, dieser Dekan«, sagte er, »wenn auch ein klein wenig engstirnig.«
    »Ein echter Exzentriker«, stimmte ihm Carrington trocken zu. Aus seinem Benehmen ging klar hervor, daß er dem Dekan keineswegs treu ergeben war. Beruhigt ließ der Rektor eine Analyse der Funktion des Collegesystems in der Welt von heute vom Stapel, während Carrington mit seinem Glas spielte und Betrachtungen über die unerschütterliche Einfalt von Politikern anstellte. Sir Godbers Glaube an die Zukunft war fast so unerträglich wie die Herablassung des Dekans, und Carringtons launische Sympathie neigte sich wieder der Vergangenheit zu. Gerade hatte Sir Godber die Vorzüge der Koedukation ausgemalt – ein Thema, das Carrington persönlich zuwider war –, als Lady Mary eintraf.
    »Meine Liebe«, sagte Sir Godber, »ich möchte dir Cornelius Carrington vorstellen.«
    Carrington ertappte sich dabei, wie er in die arktischen Tiefen von Lady Marys Augen starrte.
    »Guten Tag«, sagte Lady Mary ein wenig gezwungen, da ihr Carringtons offenbar ambivalente sexuelle Vorlieben nicht entgingen.
    »Er trägt sich mit dem Gedanken, eine Sendung über das College zu machen«, sagte Sir Godber und goß den allertrockensten Sherry ein.
    »Eine wirklich phantastische Idee«, bellte Lady Mary. »Ihre Sendung über Spina bifida, die angeborene Spaltbildung der Wirbelsäule, fand ich höchst anregend. Es wird wirklich Zeit, daß wir diesen Leuten im Gesundheitsministerium einmal zeigen, was ein Rückgrat ist.«
    Carrington fröstelte ob Lady Marys militanter Begeisterung. Sie weckte in ihm eine Sehnsucht nach der Kindertagesstätte, die geheime Kehrseite seiner eher räuberischen Natur.
    Eine Kindertagesstätte mit Lady Mary als Kindermädchen.
    Sogar ihr schmallippiger Mund erregte ihn, mitsamt der gelben Zähne.
    »Beim zahnärztlichen Dienst sieht es selbstredend genauso aus«, stieß Lady Mary telepathisch hervor. »Dem sollten wir etwas Biß beibringen.« Sie lächelte, und Carrington konnte einen Blick auf ihre trockene Zunge werfen. »Ich kann mir vorstellen, daß dies für Sie einmal etwas ganz anderes als London ist«, sagte er.
    »Ein Unterschied wie Tag und Nacht«, sagte Lady Mary, die immer noch unter der Wärme seiner asexuellen Aufmerksamkeit aufblühte. »Da sind wir kaum fünfzig Meilen von London entfernt, und es kommt einem vor wie tausend.« Sie riß sich zusammen. Schließlich war er immer noch ein Mann. »Wie soll Ihre Sendung über das College eigentlich aussehen?« fragte sie. Auf dem Sofa verschmolz Sir Godber mit der Überdecke.
    »Das ist lediglich eine Frage der Präsentation«, behauptete Carrington vage. »Natürlich muß man beide Seiten zu Wort kommen lassen ...«
    »Was Sie ganz sicher hervorragend beherrschen«, sagte Lady Mary.
    »... und es den Zuschauern überlassen, sich selbst ein Bild zu machen«, fuhr Carrington fort.
    »Es wird bestimmt nicht leicht sein, den Dekan und die Fellows zur Mitarbeit zu überreden. Sie glauben ja nicht, was das für eine reaktionäre Clique ist«, sagte Lady Mary. Carrington lächelte.
    »Meine Liebe«, meldete sich Sir Godber zu Wort, »Carrington ist selbst ein Porterhouse-Mann.«
    »Tatsächlich«, sagte Lady Mary. »In dem Fall muß ich Ihnen gratulieren. Das haben Sie gut überstanden.« Beim Essen erzählte Lady Mary begeistert von ihrer Arbeit mit den Samaritern, während sie einen Sardinensalat vertilgten und Carrington langsam dahinwelkte. Als er schließlich das Rektorhaus verließ, den Segen der beiden für die Sendung im Gepäck, hatte Carrington allmählich das Gefühl, er könne die Sehnsucht des Rektors nach einer pflegeleichten, rationalen und vollautomatisierten Zukunft ohne Krankheiten, Hunger, Kriegselend und nicht zueinander passenden Ehepartnern verstehen. In dieser Welt wäre kein Platz für Lady Marys furchtbare Philanthropie.
    Er schlenderte über den Campus, sah sich die Goldfische im Teich an, tätschelte die Büsten in der Bibliothek und posierte in der Kapelle vor den Retabeln. Schließlich arbeitete er sich zum Pförtnerhäuschen vor, um sich zu vergewissern, daß Skullion immer noch bereit war, seinen Kummer vor drei Millionen Zuschauern hinauszuposaunen. Er traf den Portier weniger pessimistisch an als erhofft.
    »Ich hab’s ihnen gesagt«, verkündete

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