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Schwanentanz

Schwanentanz

Titel: Schwanentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Francis
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war beinah … wissend.
    „Was habt ihr denn da gefunden?“, fragte sie und lehnte sich mit verkniffenem Gesicht so tief über das Album, dass ihre Nase fast das Papier berührte.
    Liz atmete schwer durch. „Suzanna kennt den Mann.“
    „Moment mal! Das hab ich nie so gesagt.“
    Die Frauen ignorierten ihren Einwand. Liz lief im Raum auf und ab und ihre Mutter grub eine Lupe aus einer überfüllten Schublade und begutachtete den Artikel erneut.
    „Ich erinnere mich“, sagte die Alte. „Das waren die Guten Nachbarn, ganz eindeutig. Feenraub.“
    „Mutter!“, zischte Liz. „Sprich das nicht aus.“
    „Aber wenn’s doch wahr ist!“
    „Das hatten wir oft genug. Sag es nicht, es ist gefährlich.“
    Suzanna spielte mit dem Gedanken, die Wohnung sofort zu verlassen. Am besten gleich die Stadt, ach was, das ganze verrückte Land konnte ihr gestohlen bleiben. Feenraub. Gute Nachbarn! Hatten diese Leute einen Dachschaden? War hier eigentlich irgendwer normal im Kopf? Das Dumme war nur, dass Brandon selbst der Verrückteste von allen zu sein schien. Aber geistig umnachtet oder nicht, er hatte ihr den Triple-Orgasmus des Jahres beschert, dabei war es bisher nicht mal richtiger Sex gewesen. Was sollte erst in ihrem Körper geschehen, wenn dieser Mann ernstmachte? Davon abgesehen war er zu interessant, um nicht alles über ihn in Erfahrung zu bringen.
    Was soll’s. Sie musste ja nicht schlucken, was man ihr hier vorsetzte, aber zuzuhören schadete sicher nicht. Sie setzte sich auf einen der verschlissenen Polsterstühle.
    „Na dann erzählen Sie mal.“

     
    Auf dem Rückweg zu ihrem Wagen rauschte ihr der Kopf. Was Liz und ihre Mutter erzählt hatten, klang völligabsurd. Die Familie des kleinen Brandon war mit dem Kind überfordert gewesen, behandelte es schlecht. Liz’ Mutter behauptete, die Mutter sei drogenabhängig gewesen und hätte das Baby vernachlässigt und sogar geschlagen, aber wie glaubwürdig dies war, konnte Suzanna nicht einschätzen. Angeblich sei sie dann gekommen, die Andere aus dem Hügel, und hatte das Kind zu sich geholt.
    Es gingen Gerüchte umher, Nachbarn, die Mitleid mit dem Kleinen empfunden hatten, hätten Milchschälchen auf die Türschwelle der Familie gestellt. Dies lockte die Guten Nachbarn näher, sodass sie das vernachlässigte Kind weinen hörten und es mitnahm. Dafür sprach, dass die Mutter sich ihrer Schuld bewusst war. Sie verließ Irland, kurz nachdem ihr Kind geraubt wurde, und kam nie zurück.
    Suzanna glaubte eher, dass der Aberglaube, laut dem sie für die Entführung ihres Babys verantwortlich war, die arme Mutter vertrieben hatte. Konnte ein Fünkchen Wahrheit in der Geschichte stecken? Natürlich waren keine Feen im Spiel, das war lächerlich. Aber immerhin gab es auch Menschen, die sich für Vampire oder Werwölfe hielten. Diese Wahnvorstellungen galten als anerkannte Krankheitsbilder. Warum sollte es nicht Leute geben, die glaubten, Feen zu sein? Und wenn solche Leute das Baby entführt und in der Nähe hatten aufwachsen lassen, dann war es gut möglich, dass Brandon Cnocach das Kind auf dem Foto war. So jung, wie er damals gewesen war, konnte sie sich vorstellen, dass er nichts von der Entführung wusste. War es das, was ihn so haltlos wirken ließ? Wie auch immer, sie musste mit ihm reden. Sehr behutsam natürlich, aber falls sie mehr über seine Vergangenheit wusste als er selbst, durfte sie ihn unmöglich im Unklaren lassen.
    Sie grübelte noch, während sie zu ihrem Wagen zurückkehrte. Als sie die Tür öffnete, wurde sie jäh aus den Gedanken gerissen. Eine weiße Substanz überzog den Fahrersitz. Ein trockenes Lachen entrang sich ihr. Das war doch nicht zu fassen. Wegen der Hitze hatte sie das Fenster ein Stück offen gelassen. Jemand musste das ausgenutzt und das Zeug, das aussah wie Salz, in ihr Auto gekippt haben. Freundliche Gegend, wirklich. Vermutlich war es das Werk der Kinder, die sie zwar nie hier gesehen hatte, die aber da sein mussten. Schwer vorstellbar, dass diese alten Leutchen, die hier wohnten, auf solche Streiche standen. Allerdings war es definitiv das Gesicht einer alten Frau, das sich nun hinter einer Gardine regte. Die Beobachterin war nicht zu erkennen, dafür war der grobmaschige Stoff zu vergilbt, aber die Neugier in den Augen blieb unverkennbar.
    Gafft ihr nur, dachte Suzanna. Hauptsache mal was Neues, was? Wenn es sonst schon nichts zu sehen gibt in eurem langweiligen Dorf, dann wenigstens eine ausrastende Touristin, denkt ihr.

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