Schwanentanz
Schreien. Stöhnen. Cara war Meisterin, wenn es darum ging, Lust mit Schmerzen zu vermischen und mit diesem Cocktail jedermanns Willen zu brechen.
Oh ja, was er am nötigsten brauchte, war Ablenkung. Er sollte zu Suzanna gehen. Die zweifelnden Blicke der anderen, die ihn verfolgten, während er durch die Gänge schlurfte, gaben ihm eine Ahnung, dass er so, wie er nun aussah, gar nicht bei ihr klopfen musste. Sie würde ihn entweder hinauswerfen oder ihn so mitleidig hereinbitten, dass er an Sex nicht mehr denken musste. Eher an kräftigende Milchsuppe, ein Anti-Grippe-Mittel und ein warmes, aber einsames Bett. Zusammengefasst: das Letzte, was er von Suzanna wollte. Also zunächst schlafen. Nur eine Stunde oder zwei. Suzanna würde nicht so schnell verschwinden. Was, wenn er ehrlich war, das nächste Problem darstellte.
Den Blick am Boden trottete er Richtung seiner Kammer. Ein weit entfernter Schrei drang durch die unterirdischenGänge. Dass die Krieger sich anbrüllten, war nichts Ungewöhnliches, doch in diesem Laut glaubte er, seinen Namen zu erkennen. Ob er mal nachsah? Er schüttelte den Impuls ab. Die unendlich langen, verschlungenen Tunnel verzerrten oft die Rufe durch ihre Echos. Sicher hatte er sich verhört. Selbst wenn nicht, die Erschöpfung war zu dicht und dämpfte jedes Interesse zu einem Murmeln in seinem Kopf, das sich leicht überhören ließ. Schlafen war doch ein wunderbarer Gedanke …
Ein Gnom sauste ihm entgegen, brabbelte ihm eine kaum verständliche Warnung zu und verschwand. Brandon sah sich um, entdeckte den Gnom, wie dieser um die Ecke linste, als erwartete er, dass es gleich etwas zu sehen gäbe. Kaum eine Sekunde später schallte ein erneuter Schrei durch den Gang. Viel näher diesmal. Sein Name, kein Zweifel. Aiden stürmte ihm entgegen, das Gesicht wutverzerrt. Was war in ihn gefahren?
„Aiden, was ist los, bist du …“
Sein Freund boxte ihm ohne Umschweife die Faust in den Bauch. Beim Versuch, nach Luft zu schnappen, verschluckte Brandon sich an Magensäure. Er würgte, wollte etwas sagen, da setzte Aiden schon einen Schlag gegen den Kiefer nach. Brandon stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Er wehrte einen weiteren Faustschlag mit dem Unterarm ab und bekam Aidens Linke in die Nieren.
„Verdammt! Was …“ Er kam nur frei, indem er Aiden in den Magen trat und ihn zwei Meter nach hinten beförderte. „Was hast du für ein Problem? Spinnst du?“
„Du bist das Problem!“
Aiden drang erneut auf ihn ein, quetschte ihn gegen die Wand und drosch ihm auf den Kopf. Er war wahnsinnig geworden! Ein Teil von Brandon redete sich ein, Aiden nicht verletzen zu dürfen. Sein Freund war nicht er selbst. Der andere Teil musste eingestehen, dass er gegen diesen vor Wut entbrannten Gegner keine Chance hatte. Er konnte seinen Kopf vor den Schlägen schützen und auf einen Fehler seitens Aiden hoffen. Aiden schlug hemmungslos auf ihn ein. Innerhalb von Sekunden rann Brandon Blut die Schläfe hinab, doch Aiden hörte nicht auf. Stattdessen hieb er ihm den Handballen gegen den Solarplexus. Dunkelheit verschluckte Brandons Umgebung, er wäre ohnmächtig zu Boden gegangen, doch Aiden schlug ihm, während er fiel, mit der flachen Hand ins Gesicht, wodurch er wieder zu sich kam. Keuchend sank er zu Boden, presste den Rücken gegen die Wand und sah zu Aiden auf, den allenfalls noch ein Quäntchen Anstand davon abhielt, ihm mitten ins Gesicht zu treten.
„Okay“, stieß Brandon mühsam hervor. „Irrer Schlag, Aiden, wirklich. Sagst du mir vor der zweiten Runde, warum ich den Sandsack für dich spielen muss?“
„Warum hast du nicht gleich Nein gesagt?“, fragte Aiden mit zitternder Stimme. „Warum machst du mir Hoffnungen, um sie dann zu zerstören?“
Wovon faselte er?
„Ich hätte es wissen müssen“, fuhr Aiden fort. „Du bist ein egoistischer Bastard geworden. Du bist wie sie geworden. Redest von Freundschaft aber denkst nur an dich. Du bist wie sie – du bist wie Cara!“
„Kumpel, sag mir, wovon du sprichst, ich habe keine Ahnung.“
„Von deinen Lügen! Die Götter mögen dich dafür verfluchen!“
Brandon versuchte aufzustehen, doch Aiden verpasste ihm einen weiteren Schlag gegen den Kiefer und er kippte erneut in den Staub.
„Scheiße, Aiden, was willst du von mir?“
Im Hintergrund sammelten sich immer mehr Gnome und gafften, nicht wenige jubelten schadenfroh. Aiden spuckte ihm auf die Schuhe. Brandon konnte den Fleck nur anstarren. Sie hatten sich schon häufiger
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