Schwanentanz
aus, als die alte Frau in asymmetrischen Schritten hinaushoppelte. „Eine schreckliche Person, die Louise. Soll mal eine nette Frau gewesen sein, sagt meine Mutter, aber dann passierte diese Sache …“ Sie brach mit einer unwirschen Geste ab. „Na, ist ja auch egal. Erzähl mir etwas von deinen seltsamen Nachbarn. Wen meinst du denn überhaupt?“
Suzanna spürte sich ungewollt lächeln. „Er heißt Brandon. Frag nicht nach dem Nachnamen, der war so kompliziert, dass ich ihn vergessen habe. Passt aber zu ihm, kompliziert war der Mann auch. Sind das vielleicht irgendwelche Ökos, die …?“ Liz’ Gesichtsausdruck brachte sie zum Schweigen. „Was ist? Kennst du die Leute näher?“
„Ehrlich gesagt kenne ich niemanden, der Brandon heißt“, meinte Liz. „Und das wundert mich wirklich, denn hier kennt jeder jeden. Du erinnerst dich wirklich nicht an den Nachnamen?“
„Irgendetwas mit Co… Cno… nein, tut mir leid, ich weiß es nicht mehr. Ein junger Mann war es, vielleicht Ende zwanzig. Sandfarbenes Haar, struppig und … zu lang.“ Um nicht zu sagen: ungepflegt. Sie wies auf ihre Schultern und Wangen, um die Haarlänge anzudeuten.
„Cnocach“, murmelte Liz, sie schien plötzlich entrückt.
„Ja, genau! Das war der Name, den er nannte.“
Die Bäckerin rieb sich über die Augen und murmelte kaum hörbar: „Brandon aus dem Hügel.“ Mit einem Mal wirkte sie fahrig. Beinah verstört.
„Liz? Kennst du den Mann?“
„Nein, nein.“ Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, und genau das machte sie unglaubwürdig. „Nicht richtig. Ich erinnere mich an … Aber nein, das ist sicher Unsinn. Vergiss es einfach. Das sind bestimmt kürzlich Zugezogene.“
Suzanna zog die Stirn kraus und Liz drehte unter ihrem Blick den Kopf weg. Brandon war so eindeutig kein kürzlich Zugezogener wie sie keine Einheimische war. „Da ist doch mehr. Komm schon, Liz. Du bist die Einzige, die ich in … ähm, hier kenne.“ Uff, fast hätte sie ‚in diesem Kaff‘ gesagt. „Wenn du etwas weißt, dann sag es mir.“
Die Bäckerin wand sich sichtlich, aber schließlich stieß sie die Luft durch die Nase aus und sagte: „Ich weiß eigentlich überhaupt nichts. Der Name erinnert mich bloß an eine Sache, die sich hier vor Jahren zugetragen hat. Aber vielleicht irre ich mich auch. Ich war erst zehn Jahre alt, als es geschah.“
Suzanna wuchs bei ihrem düsteren Tonfall ein Kloß in der Kehle. Sie räusperte sich. „Als was geschah?“
„Ich irre mich ganz sicher.“ Liz seufzte. „Aber es würde mir keine Ruhe geben und dir offenbar auch nicht. Lass uns nachschauen. Komm mit.“
„Wohin gehen wir?“ Suzanna folgte Liz zur Tür. Die Bäckerin drehte ein Schild um, sodass ein ‚Bin gleich zurück‘ zu sehen war und schloss von außen ab.
„Zu meiner Mutter. Sie sammelt solchen Kram.“
Suzanna blieben wenige Minuten und etwa hundert Meter Zeit, sich zu überlegen, was sie sich unter ‚solchem Kram‘ vorstellen sollte, aber sie kam zu keinem Ergebnis. Liz’ Mutter wohnte über dem alten Kino, und wie Suzanna erfuhr, gehörte es sogar ihr.
„Sie musste schließen, als mein Vater starb“, erklärte Liz auf dem Weg durch das staubige Foyer. Es roch nach Muff und einer vagen Erinnerung an Popcorn. Eine seltsame Mischung, die Wehmut weckte. Der Duft von vergessenen Fantasien. „Jonny und ich hatten zu der Zeit ja schon die Bäckerei übernommen, da konnten wir Mutter nicht mehr helfen.“
„Seitdem steht das Kino komplett leer?“
Liz nickte bedrückt und führte Suzanna eine Treppe hoch ins Obergeschoss. „Leider, denn die Nachfrage der Leute wäre durchaus noch da. Hin und wieder laden wir die Kinder aus dem Dorf ein und lassen sie einen Film ansehen. Aber wir haben nur alte Filmrollen, weil die Verträge ausgelaufen sind und seitdem man sogar neue Blockbuster aus dem Internet runterladen kann, kommt kaum noch jemand und meine Kinder sitzen allein in den Vorstellungen. Hier ist es.“ Sie drückte eine Klingel und klopfte gleichzeitig gegen die Holztür. Eine uralte, gebeugte Dame mit wässrig blauen Augen öffnete.
„Nanu, Lizzy, was tust du denn hier um die Zeit?“ Sie sah zu Suzanna auf. „Und wen bringst du da mit?“
Suzanna stellte sich vor und reichte der alten Dame die Hand.
„Sie ist neu in Carryglen“, erklärte Liz. Sie verbesserte sich schnell, als Suzanna ihr einen tadelnden Blick zuwarf. „Das heißt, eigentlich ist sie zu Gast. Sie hat da möglicherweise etwas
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