Schwanentanz
Von wegen.
Seufzend fegte sie die Krümel vom Sitz. Es handelte sich tatsächlich um Salz, grobes Salz, sicher ein halbes Kilo. Suzanna wurde den Eindruck nicht los, dass es mehr war als ein Streich.
haon déag - elf
A
iden erwachte mit dem Gefühl, in der Nacht nicht geschlafen zu haben, sondern von einer Herde wilder Rinder überrannt worden zu sein. Sein Schlaf war schwarz und traumlos gewesen. Leer. Und Leere gab nichts her, erst recht keine Erholung. Er quälte sich auf die Füße, warf beim Waschen beinah den Eimer um, den Dwyn bereits mit eisigem Quellwasser gefüllt hatte, und zog sich an. Der raue Leinenstoff scheuerte über die dünn verharschten Striemen, die sich wie ein Koordinatengitter über seinen Rücken zogen. Wo die Peitschenspuren einander kreuzten, hatten sich Knoten aus wundem Gewebe gebildet. Die Schmerzen waren ihm gleichgültig, Narben erst recht. Cara schlug selten so tief, dass Spuren zurückblieben. Diese Nacht hätte Brandon es getan, es tun müssen, als Strafe, weil er Caras Geschenk nicht angenommen hatte, aber Cara hatte einen Heilzauber für Aiden gewirkt. Sie musste ihr freundliches Gesäusel in der Nacht ernstgemeint haben, wenn sie so etwas Gütiges tat.
Dwyn hockte unvertraut schweigsam in seiner Nähe, statt wie sonst herumzuwuseln und keine Minute still zu sein. Wie in Gedanken verloren, kraulte der Gnom seinen falschen Bart. Als Aiden sich zur Küche begeben wollte, um etwas zu essen, hob Dwyn die Hand.
„Aiden, wartstopp mal.“
Er spürte sofort, dass etwas nicht stimmte und ärgerte sich, weil er das Gefühl schon beim Aufwachen gehabt, ihm aber keine Beachtung geschenkt hatte. Die Leere der Nacht drängte immer noch gegen seine Gedanken an. Caras Zauber.
„Was ist los, mein Freund?“
„Seamus ist zurück.“
Drei Worte, die er so sehr ersehnt hatte. Sie bewirkten nichts in ihm. Er hätte gern behauptet, dass sie ihn kaltließen, aber er war nicht einmal mehr kalt. Nur leer.
„Gut.“
„Nein, nicht gut.“ Dwyn starrte auf seine Füße. Die kleinen Hände arbeiteten sich hektischer durch den Ziegenhaarbart, sodass dünne Strähnen herausrissen und zwischen seinen Fingern hängen blieben. „Es geht ihm … nicht gutrichtig. Er hat sich eingeschlossen und spricht nicht. Mit niemandem.“
Aiden nickte. Er würde das regeln müssen, bevor Cara seinen Bruder in die Finger bekam, erhaschte allerdings eine erste Ahnung, dass es dazu bereits zu spät war, als er Dwyns Blick traf.
„Aiden, sie hat ihm verboten, darüber zu sprechen. Er ist schonbereits unter ihrem Einfluss, auch wenn sie ihm den Stein noch nicht eingepflanzt hat.“
„Oh.“ Schwer ließ Aiden sich aufs Bett sinken und stützte den Kopf in die Hände. „Verdammt.“ Cara hatte seinen Bruder vor dem Ritual in ihr Bett gezwungen und ihn sich willfährig gemacht. Er hatte sich bei vollem Bewusstsein von ihr missbrauchen lassen müssen. Wider Willen zwangen sich Aiden Erinnerungen auf, verliefen mit Fantasien und vergangenen Albträumen zu Bildern, die seinen Verstand marterten wie es keine Peitsche, kein Messer und keine Glut vermochten. Sie verzehrten ihn von innen. Vernichteten nach seiner Freiheit, seinem Stolz und seiner Würde nun auch den Rest von ihm. Er hatte dem nichts entgegenzusetzen.
Nichts? Doch, da war etwas! Ein Funke glomm in seinem Sinn. Ein winziger Punkt, doch sobald er an ihn dachte, blühte er zu Hoffnung auf. Die Blume! Wie hatte er den Venuskelch vergessen können? Seamus war zurück und Brandon hatte den seltenen Tropfen, der Cara dazu zwingen würde, Seamus freizugeben.
„Ich muss los“, rief er Dwyn zu und stürmte aus dem Zimmer. In den niedrigen Gängen, die zwischen den Schlafräumen lagen, musste er den Kopf einziehen. Seine Schritte polterten auf den Holzdielen. Er hörte Dwyn hinter sich herlaufen, aber er konnte nicht auf den Gnom warten. Er konnte auf nichts mehr warten. Hastig bollerte er gegen die Tür seines Freundes.
„Brandon! Brandon, mach auf!“
Collia kam um die Ecke. Er hakte die Daumen in den Bund seiner Hose. „Der ist nicht da.“
„Weißt du, wo er ist?“ Aiden sprach ungern mit Collia. Der Mann war ein Jahr älter als er und schon als Kinder hatten sie sich gehasst. Inzwischen wusste Aiden, dass Collia früher zu größeren Leistungen getrieben wurde, indem Cara drohte, ihn zu seiner Menschenfamilie zurückzubringen, sollte er nicht in allem besser sein als der jüngere Aiden. Was dort vorgefallen sein musste, konnte Aiden nur
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