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Schwanentanz

Schwanentanz

Titel: Schwanentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Francis
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sich an dem ersten vorbei. Geblendet vom Licht sah Brandon nur Umrisse, aber die reichten, um den alten Alec zu erkennen.
    „Was willst du von mir?“, fragte er, die Zunge schwer wie nach einem Saufgelage. Auf die Füße zu kommen war eine wahre Herausforderung. Sein Kopf fühlte sich so schwer, als wäre er mit Blei ausgegossen und die gefesselten Füße irritierten seinen ohnehin lädierten Gleichgewichtssinn. Kaum stand er aufrecht, versetzte der alte Alec ihm einen Stoß. Brandon taumelte, fiel und prallte mit dem Kopf auf den Boden. Tropf. Tropf. Tropf. Er kam unter der undichten Stelle zum Liegen, fiel mit dem Rücken in die Pfütze. Von der Decke fielen Tropfen und zerplatzten ihm im Gesicht.
    Alecs Schergen blieben mit ihren Taschenlampen bei der Tür stehen, sodass an Flucht kaum zu denken war. An den beiden Hünen würde er nicht vorbeikommen, selbst wenn es ihm gelänge, den alten Alec niederzuschlagen. Und allein das war in Handschellen Utopie. Der Alte hatte ein Messer in der Hand, eine lange, scharfe Klinge mit gezackter Schneide. An seinem Gürtel hingen eine weitere Messerscheide sowie ein Pistolenholster.
    „Ich hab ein Angebot für dich, mein Junge“, sagte Alec.
    Brandon hob den Kopf.
    „Ich weiß, wer du bist. Verfluchtes Feenvolk, das bist du, hab ich recht?“ Er schien keine Antwort zu erwarten, denn er ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ich will wissen, wo du herkommst, wie alt du bist und ob’s noch mehr von deiner Art gibt.“
    Brandon schnaubte leise, um seinen Schreck zu verbergen. Nicht aufzufallen, um nicht erkannt zu werden, zählte seit seiner Kindheit zu den Regeln, deren Missachtung strengste Strafen nach sich zog. Wodurch hatte er sich verraten?
    „Meine Art findest du überall“, sagte er. „Einer davon steht gleich vor mir.“
    Alec stieß ihm mit der Stiefelspitze in die Rippen. Zaghaft nur, bloß ein Hinweis, dass er jederzeit ernstmachen konnte. „Du willst mir erzählen, du wärst ein normaler Mensch?“
    „Wer ist schon normal? Du? Das wage ich anzuzweifeln.“
    „Halt den Mund.“ Der Alte blieb erstaunlich ruhig und das gefiel Brandon nicht. Ein Mensch sollte nicht in Seelenruhe Leute entführen, das war bedenklich. „Wie heißt du, mein Junge?“
    Brandon musste schlucken. Der Typ hatte vor, Informationen aus ihm herauszuschlagen, das stand ihm glasklar in den hellen Augen. Dass er davor nach seinem Namen fragte, verlieh dem Ganzen etwas Persönliches. Und wenn es eine Sache gab, die ihm Angst machte, dann war es persönliche Folter. Von jemandem gequält zu werden, der einen beim Namen kannte, der einem dabei in die Augen sah, war hundertmal schlimmer als einfach nur ein Balg zu sein, den ein Riemen oder eine Faust traf. Wer so was tat, war ein Sadist, und Brandon war im tiefsten Inneren seiner Seele selbst sadistisch genug, um Sadisten zu fürchten. Er wusste, wie die Träume vonmutwillig zerstören Leben schmeckten. Süß und bitter … zumindest, wenn man auf der richtigen Seite einer solchen Zusammenkunft stand. Er war auf der falschen.
    „Ich hab dich was gefragt“, beharrte Alec, ohne lauter zu werden.
    Es hatte keinen Sinn, sich zu weigern. Besser, er sparte seine Kräfte. „Brandon“, sagte er leise und richtete sich zum Sitzen auf. „Brandon Cnocach.“
    Der alte Mann kniete sich behände neben ihn. „Brandon aus dem Hügel, soso.“
    Er betonte jede Silbe, als würden sie ihm schmecken. Brandon spannte die Schultern an, um nicht sichtbar zu schaudern. Der Alte fasste ihm in die Haare, strich sie zurück, sodass er seine Ohren sehen konnte. Und ebenso den Stein in seinem Nacken.
    „Und ein Mensch bist du, hast du gesagt. Also keiner vom Feenvolk?“
    Brandon schnaubte. „Feen? Bist du betrunken, Mann? Wenn ich ‘ne Fee bin, bist du Peter Pan und die beiden Hübschen dahinten sind deine Wendys.“
    Alec antwortete nicht, wies nur mit einem kalten Blick in Brandons Nacken.
    „Das?“ Er mühte sich ein Grinsen ab. „Extremes Piercing. Jugendsünde. Hast du etwa noch nie so was gesehen?“
    Wieder bekam er keine Antwort, stattdessen klopfte ihm der Alte mit dem Messerknauf gegen den Oberschenkel. „Lassen wir die Spielchen, Junge. Nenn mich Peter, wenn es dir dann besser geht. Aber sag mir die Wahrheit. Wie alt bist du.“
    Brandon wusste es nicht genau. Er zögerte und begriff im gleichen Moment, dass dies sein Fehler war. „Achtundzwanzig“, schätzte er, aber zu spät. Alex drehte die Faust und stieß ihm das Messer in den Oberschenkel.

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