Schwanentanz
schlafen, aber so sehr ich mich auch konzentriere, ich höre keine Träume wispern. Zwischenzeitlich spüre ich, dass er mich hört. Ich spüre seinen Standort.“ Sie nahm die Zügel in eine Hand, berührte Brandons Saphir an ihrer Kette und legte sich zwei Fingerspitzen an die Schläfe, bevor sie weitersprach. „Aber ich empfange keine Antwort.“
Aiden klopfte seinem Wallach den Hals. Ritte in der Kavalkade machten dieses Tier nervös, es wollte stets an der Spitze laufen. „Das heißt?“
Cara seufzte. „Es heißt, dass sein Bewusstsein flattert. Wir sollten uns beeilen. Sehr beeilen.“
Sie gab ihrem Fuchs eine halbe Parade am Zügel und galoppierte aus dem Schritt an. Aiden schluckte die Sorge um seinen Freund runter, die wie ein großes, faules Ei in seinem Hals steckte. Er wendete sein Pferd und ritt an Suzannas Seite, um ihr zu helfen, falls sie mit dem angezogenen Tempo Probleme bekam.
Suzanna hatte dem Pony unrecht getan, ebenso wie dem Glatzkopf, der es ihr gegeben hatte. Das Tier verlangte nichts von ihr, sondern hielt sich artig dicht bei seinen Artgenossen. Der breite Rücken war auch ohne Sattel bequem und die kleine Stute hatte herrlich weiche Gänge. Ein paar Trabschritte schüttelten sie kräftig durch, aber nachdem das Pferdchen von sich aus in den Galopp wechselte, konnte sie bequem auf seinem Rücken sitzen, solange sie die Finger in die buschige Mähne grub. Es gelang ihr sogar, Aidens Bericht zuzuhören. Bei einer Antwort hätte sie sich höchstwahrscheinlich die Zunge abgebissen, aber er verlangte dankenswerterweise nicht, dass sie im Galopp etwas erwiderte.
Er erklärte, dass Cara Brandon in einer Gegend gespürt hatte, in der nur ein einziges Gehöft stand. Leer, zumindest offiziell. Es bestand kein Zweifel, dass die Entführer Brandon dorthin gebracht hatten, vermutlich, um Informationen aus ihm herauszupressen. Suzannas Magen rebellierte, was nicht allein am schaukelnden Galopp lag. Aiden sagte es nicht, aber ihm war deutlich anzusehen, dass er sich Sorgen machte. Eher noch schien er dasSchlimmste zu erwarten. Sie entschied sich gerade nachzufragen, als Cara an der Spitze der Gruppe ein Handzeichen gab und ihrem Fuchs die Zügel freigab. Wie ein geölter Blitz schoss der Wallach voran und mit dem nächsten Galoppsprung spürte Suzanna, wie auch ihre kleine Stute raumgreifender ausholte. Die Hufe donnerten über die Wiese und Wind peitschte ihr ins Gesicht. Sie musste sich weit über den Hals beugen und sich in der Mähne festhalten.
Bis sich das Gehöft vor ihnen aus der Dunkelheit schälte, standen dem Pony Schweißflocken auf der Brust und Suzanna fühlte sich, als wäre von ihren Innereien nichts mehr dort, wo es hingehörte. Cara zügelte ihr Pferd. Ihr Gesicht wirkte hart und frostig wie das einer Eisskulptur, die grauen Augen blitzten kalt wie Spiegelungen des Mondes, der fast voll am Nachthimmel stand. Drei schwach erleuchtete Fenster blinzelten ihnen aus dem Haus entgegen, der Rest der alten Gemäuer war finster. Eine Katze, die die Reiter bemerkt hatte, huschte geduckt über den Innenhof. Vom linken Flügel, den Ställen, wehte der Geruch von modrigem Stroh und altem Holz herüber. Die Männer blieben etwas zurück, Cara lenkte ihren Fuchs im versammelten Galopp auf den Hof und ließ ihn dort eine enge Pirouette drehen, um durch das Klappern der Hufe auf dem Pflaster auf sich aufmerksam zu machen.
„Sie mag es theatralisch, kann das sein?“, flüsterte Suzanna Aiden zu.
Er grinste, es sah widerwillig aus, aber er kam offenbar nicht dagegen an.
„Sie macht ihnen Angst“, erklärte ein Mann, dessen Namen sie nicht kannte. Er wechselte einen bedeutungsschweren Blick mit Aiden. „Nichts ist effektiver als Angst.“
Auf Caras Zeichen stieg ihr Pferd und die anderen schlossen auf.
„Du hältst die Pferde fest und bleibst draußen“, wies Aiden Suzanna an.
Sie wollte widersprechen. Das kam nicht infrage! Aber er warf ihr bereits die Zügel zu und Suzanna musste seinen Schimmel davon abhalten, ihr Pony zu beißen. Dass andere Männer ihr ebenfalls Zügel in die Hand drückten, machte die Situation nicht besser. Nur Cara ließ ihr Tier frei stehen. Von ihren Männern gefolgt ging sie zum Haupthaus. Ein gedrungener Mann, der ihr wegen seiner vernarbten Unterarme aufgefallen war, trat vor und versetzte der Eingangstür einen so wuchtigen Tritt, dass diese einfach aus den Angeln sprang. Sofort kam Leben in die Bude. Hinter einem Fenster im Obergeschoss ging das
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