Schwanentanz
Licht an und schwere Schritte polterten. Cara und ihre Krieger stürmten dagegen beinah lautlos ins Innere des Hauses. Suzanna hörte einen Mann brüllen, entdeckte eine Silhouette hinter einem Fenster. Dann peitschte ein Knall durch die Nacht. Verdammt, wenn nun jemand von drinnen auf sie schoss? Legte Cara es womöglich darauf an, sie bequem loszuwerden?
„Sie haben ihn umgebracht!“
Collias Brüllen rollte wie Donner durch die alten Mauern. Etwas in Aiden zerbrach. Er fühlte es, als wäre ein Teil von ihm aus sprödem Holz und nun entzweigeschlagen, was Splitter fliegen ließ. Es war seine Hemmung, jemanden zu töten. Er zog sein Kurzschwert und trat eine Tür ein, an dessen Unterseite der Lichtschimmer gerade erst verloschen war. Ein Spiegel warf ihm seine Reflexion entgegen. Sein verzerrtes Gesicht, die Augen tränend vom Hass. Das Antlitz einer Bestie. Geschaffen für den Krieg; geschaffen, um zu töten. Nicht länger ein Mensch.
Der Mann im Inneren des Raumes riss eine Pistole hoch, drückte ab. Ein Ruck, gefolgt von einem Vibrieren jagte durch Aidens Arm. Die Kugel war an seiner Waffe abgeprallt. Über ihm explodierte die Deckenlampe. Scherben hagelten auf ihn nieder.
Sie hatten ihn umgebracht, echote es in seinem Kopf. Brandon war tot. Und damit auch ein Teil von Aiden. Der zweite Schuss ging ihm in den Oberschenkel. Er spürte den Einschlag, glaubte, das Leder seiner Hose und seine Haut reißen zu hören. Schmerz fühlte er keinen. Da war nichts, nur aufschäumende Wut, gegen die seine Ängste nur Maden unter einer Stiefelsohle waren. Er holte aus, riss mit der Schwertspitze ein Bild von der Wand und durchtrennte mit einem Schlag die Kehle des Mannes, ehe der erneut die Waffe abfeuern konnte.
Eine Stimme in seinem Kopf brüllte: Halt! Wir brauchen sie lebend!
Aber wozu noch?
Suzanna zog die Pferde zu einem maroden Zaun und schlang die Zügel nacheinander mit ausreichend Abstand um die oberste Holzlatte. Ihr zitterten die Finger vor Furcht, und als im Haus ein weiterer Schrei laut wurde, fuhr sie wie von einem Schlag getroffen zusammen. Verdammt, wenn sie nur endlich hier fortkäme. Der Innenhof bot sie den Blicken dar, als stände sie auf einem Präsentierteller. Tief geduckt wie die Katze zuvor rannte sie zumHaus und stieg über die zerstörte Tür. Zwei Sídhe-Krieger polterten die Treppen aus der oberen Etage ins Erdgeschoss herunter und liefen den Korridor entlang zu einer Tür, ohne Suzanna zu beachten.
„Ist da der Keller?“, rief der eine. Er hielt einen Dolch in der Hand, die Klinge war dunkel. Blut?
„Ja.“ Das war Aiden, wenn sie ihn auch schlecht erkannte unter Blutspritzern, die sein Gesicht sprenkelten. Er hinkte. „Schnell! Sie ruft uns!“
Plötzlich schrillte ein Kreischen durchs ganze Haus. Es war Cara, ihre Stimme kam von unten und klang schmerzverzerrt und wütend zugleich. Suzanna dachte nicht länger rational, sondern griff nach einem im Schirmständer lehnenden Spazierstock, den sie als Waffe benutzen konnte. Sie folgte den beiden Kriegern durch den Flur und die schmale Holztreppe hinab ins Dunkle. Die Stufen schwangen bedenklich unter den Stiefeln der Männer und Suzanna sah so gut wie nichts, so finster war es. Gestank schlug ihr entgegen, weit schlimmer als der Muff verlassener Keller. Es roch nach Ausscheidungen und altem Blut. Sie zog sich den Halsausschnitt ihres Shirts über die Nase und tastete sich durch Spinnweben und feuchtes Moos an der Wand entlang. Caras Schreien war zu einer Mischung zwischen Knurren und Wimmern abgeklungen; Laute, wie Tiere sie machten. Wilde Katzen in Todesangst klangen ähnlich. Ein Raum tat sich vor Suzanna auf, Caras Klagen wurde lauter. Jemand entzündete eine Öllampe. Zuerst sah Suzanna nur das beschienene Gesicht von Aiden, in dem kein Ausdruck stand. Mit leeren Augen starrte er in eine Ecke. Als Suzannas Augen sich an das schummrige Licht gewöhnten, stockte ihr der Atem. Cara hockte in dieser Ecke über einen still daliegenden Körper gebeugt. War das …
„Brandon?“ Sie hauchte den Namen nur, aber er reagierte mit einem Zucken. Er war nicht tot. Doch auch nicht weit davon entfernt. Sie wagte sich näher. Cara hatte seinen Kopf in ihren Schoß gezogen und streichelte ihm in hektischen Bewegungen die Haare, wie jemand, der unter einem Tick leidet. Sein Gesicht war leichenblass, die Augen lagen halb offen tief in den Höhlen. Er schien sich nicht kontrolliert zu bewegen, seine Muskeln zuckten nur. Ihr wurde übel,
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