Schwangerschaft ist keine Krankheit
USA eine aktuelle »Practice Guideline« dazu herausgegeben wurde. Laut Information der Deutschen Gesellschaft für Ernährung seien 60 Prozent der deutschen Bevölkerung mit Vitamin D unterversorgt (www.dge.de).
Tatsache ist, dass ältere Menschen von einer Vitamin-D-Gabe profitieren: Es kommt zu weniger Stürzen und zu weniger Knochenbrüchen, wahrscheinlich sinkt auch das Risiko für einen vorzeitigen Tod (Linseisen et al. 2011). Andere Zusammenhänge sind aber nicht eindeutig.
Eine aktuelle Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass es nach wissenschaftlich-systematischen Kriterien noch nicht genug aussagekräftige Studien zur Vitamin-D-Gabe in der Schwangerschaft gibt. Weder Nutzen noch schädliche Auswirkungen dieser Substanz sind derzeit erwiesen (Mahomed und Gulmezoglu 2011).
Und trotzdem: Auch hier wieder werden Schwangere ohne medizinische Begründung als Zielgruppe umworben. Selbst im Organ des Berufsverbands der Frauenärzte, der Zeitschrift »Frauenarzt«, gibt der Autor mit dem lapidaren (nicht belegbaren) Argument eines »Mehrbedarfs in der Schwangerschaft« eine Empfehlung aus den USA weiter. Ãhnlich wie während der Stillzeit empfiehlt die Task-Force schwangeren Frauen ab dem 19. Lebensjahr »neben der Einnahme von 400 IE Vitamin D 3 in Form von Multivitaminpräparaten die zusätzliche Supplementation von mindestens weiteren 1 000 IE täglich« (Minnemann et al. 2011). Damit kämen Sie also auf 1 400 IE Vitamin D pro Tag â und dies, obwohl in den Fachinformationen aller verfügbaren Vitamin-D-Präparate zu lesen ist, dass in der Schwangerschaft Tagesdosierungen von mehr als 500 IE nur nach strenger Indikationsstellung gegeben werden sollten!
Fazit: »Vitamin-D-Mangel« ist vermutlich ein Modephänomen. Wir alle â Sie als Schwangere und wir als Ãrzte â sollten besser vorsichtig mit Vitamin D umgehen, solange die Zusammenhänge nicht besser geklärt sind.
Vitamin E â die Daten reichen nicht aus
Angeblich hilft die Gabe von Vitamin E in der Schwangerschaft, einer Schwangerschaftskomplikation, der Präeklampsie (siehe Seite 15) vorzubeugen. Doch auch hier kommen fundierte Studienauswertungen zu dem Schluss, dass die vorliegenden Daten nicht ausreichen, um eine Empfehlung auszusprechen (Rumbold und Crawther 2005).
Fazit: Verzichten Sie auch auf die Einnahme von Vitamin-E-Präparaten, solange die vorliegenden medizinischen Daten noch keine Empfehlung erlauben.
Vertrauen Sie auf Ihre Ernährung
Laut einer umfangreichen wissenschaftlichen Analyse mit Daten, die an insgesamt 97 000 Frauen erhoben wurden, kann kein einziges Vitaminpräparat das Auftreten von Fehl- oder Totgeburten verhindern (Rumbold et al. 2011). Auch eine sonstige Nahrungsergänzung mit Carnitin, Glucose oder Galactose hatte keinen positiven Effekt auf das Wachstum von untergewichtigen Ungeborenen. Weitere Studien bestätigen diese Ergebnisse (z. B. Haider und Bhutta 2006).
Fazit: Vertrauen Sie auf Ihre Ernährung und lassen Sie sich nicht zur Ernährungsanalphabetin abstempeln, nur weil Sie schwanger sind. Keine Schwangere braucht Nahrungsergänzungsmittel, auch wenn ihr dies in Apotheken und Ratgebern gerne vorgegaukelt wird. Eine gute, abwechslungsreiche, ausgewogene Ernährung ist die Basis für eine gute Vitaminversorgung für Sie und Ihr Kind. Es gibt nur eine Ausnahme: die Folsäure.
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Folsäure â das klassische »Schwangerenvitamin«
Folsäure ist ein essenzielles Vitamin der B-Gruppe, das natürlich in pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln vorkommt. Der menschliche Organismus kann Folsäure nicht selbst herstellen, sondern muss sie mit der Nahrung zu sich nehmen.
Die besondere Bedeutung der Folsäure liegt darin, dass bei einem Mangel daran Anämien, Verdauungsstörungen und Veränderungen an den Schleimhäuten auftreten. Verzehrstudien zeigen, dass nur etwa 20 Prozent der deutschen Bevölkerung ausreichende Folsäurespiegel erreichen.
Wenn Schwangere unter Folsäuremangel leiden, kann es geschehen, dass das Kind eine Fehlbildung entwickelt, die als »offener Rücken« bekannt ist, oder dass es eine Lippen-Kiefer- oder Gaumenspalte hat. Auch das Zentralnervensystem kann geschädigt werden. In Deutschland werden jährlich 470 bis 800 Babys mit derartigen Erkrankungen geboren und weitere 500 Ungeborene werden
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