Schwartz, S: Blutseelen 2: Aurelius
bekannt war. Rene galt als nachtragend, und sie musste sich vor ihr in Sicherheit bringen.
„Ich muss meinen Auftraggeber anrufen.“
„Das werde ich für dich tun. Du darfst nicht telefonieren.“
„Ich bin also eine Gefangene“, sagte sie leise.
„Mehr als das.“ Er setzte sich auf die weiße Ledercouch. „Du bist meine Anwärterin. Du hast dich selbst dazu gemacht und damit dein Leben von Grund auf verändert.“
„Ich wollte nicht ...“
„Ich kenne deine Ängste.“ Seine Stimme war noch immer beherrscht. Sie wünschte sich, er würde sie anschreien oder sonst ein Zeichen geben, dass er betroffen oder verletzt war, weil sie sich ohne Absprache eine solche Lüge ausgedacht hatte. Sie stand unschlüssig im Raum und fühlte sich wie ein Schulmädchen, das zum Direktor bestellt worden war. Die Tatsache, dass er saß und sie stand, verstärkte diesen Eindruck noch. Nervös verschränkte sie hinter dem Rücken ihre Finger ineinander.
„Warum hast du Gracia nicht gesagt, dass ich lüge?“
„Vielleicht war die Vorstellung zu verlockend, dass die Lüge Wahrheit wird.“
Sie spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. „Du liebst mich.“
Er schloss die Augen und öffnete sie wieder. Sein Blick hielt den ihren fest, während er langsam aufstand und zu ihr trat. Er packte sie an den Schultern und sprach betont eindringlich. „Hör mir gut zu. Was in diesen Räumen gesagt wird, kann nicht abgehört werden. Alles in den oberen Räumen hingegen schon. Nur an diesem Ort sind wir unter uns.“
Ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus. „Dann sind meine Vermutungen wahr. Du warst nur so kalt und abweisend, weil du deine Gefühle nicht zugeben konntest.“
„Ja, ich spüre das Band zwischen uns. Aber du überschätzt das.“
Obwohl seinen Worten sofort ein „aber“ gefolgt war, spürte Amalia ein glückliches Lächeln auf ihrem Gesicht. Aurelius' Gesichtszüge verhärteten sich. Offensichtlich gefiel ihm dieses Lächeln nicht. Sein Tonfall war unnachgiebig.
„Ich bin meinem Klan verpflichtet. Immer. Die Interessen des Klans stehen über meinen eigenen. Meine Liebe zu dir steht in der Priorität weit unterhalb meiner Loyalität. Je eher du das einsiehst, desto besser. Für dich mag Liebe der Motor aller Handlung und heilig sein. Für mich hat sie nicht diesen Stellenwert.“
„Mir genügt es zu wissen, dass du mich liebst.“ Sie schlang ihre Arme um seinen Hals. „Danke, dass du mich vor Gracia gerettet hast.“
Seine Augen waren unergründlich. „Danke? Du scheinst nicht zu ahnen, was dir bevorsteht. Du hast eine Lüge von großer Tragweite erfunden, und wir werden sie nur aufrecht erhalten können, wenn sie keine Lüge bleibt.“
Angst kroch in ihre Brust. „Du meinst ...“
„Ich werde deine Lüge zur Wahrheit machen. Du wirst meine Anwärterin und meine Sklavin sein. Das erste der insgesamt drei Rituale vollziehen wir sofort.“
Ihr blieb die Luft weg.
„Ich ...“ Was sollte sie sagen? Sie hatte keine Vorstellung, was auf sie zukam. „Du möchtest mich tatsächlich zu deiner
Sklavin
machen?“
„Es gibt keinen anderen Weg. Vampire können besser wahrnehmen als Menschen. Wenn sie mein Blut nicht an und in dir riechen, werden sie wissen, dass wir gelogen haben.“
„Ich muss dein Blut trinken?“
„Es wird nicht so viel sein, dass es dich gefährdet.“
„Warum bist du nur so kalt? Eben noch hast du gesagt, dass du mich liebst.“
„Ich bin wütend auf dich.“ Er grinste. Da war es wieder, dieses spöttische Gesicht, das schön und beängstigend zugleich war. „Aber mir fällt mit Sicherheit etwas ein, um weniger wütend zu sein. Zieh dich aus. Ich kann dir die Abläufe des Rituals ebenso gut erklären, wenn du nackt bist, und vielleicht hebt der Anblick meine Laune.“
„Was bildest du dir überhaupt ein?“
„Tut mir leid, aber Nacktheit gehört zum Ritual. Ich habe es nicht erfunden. Falls es dich tröstet: Für männliche Anwärter ist es kein Stück besser.“
Es tröstete sie nicht. Ihre Hände krampften sich nervös ineinander. „Worin besteht das Ritual?“
Er trat von ihr fort und setzte sich auf die Ledercouch. Noch immer lag das spöttische Grinsen in seinem Gesicht. „Sex, Blut, das Übliche. Was erwartest du von Vampiren? Mag sein, dass wir unser eigenes Klischee sind, aber sieh es auch von der anderen Seite: Es gibt kaum etwas, das zwei Lebewesen derart miteinander verbindet wie Sexualität und der Austausch von Blut. Schon Christus gab sein
Weitere Kostenlose Bücher