Schwartz, S: Blutseelen 2: Aurelius
tatsächlich auf die Toilette musste. Ihr Herz schlug bis zum Hals, und Darion warf ihr einen misstrauischen Blick zu.
Sie ließ sich Zeit mit dem Aufstehen und hoffte, dass bereits der Großteil der Besucher fertig war, bis sie zur Toilette ging. Vor dem Kinosaal blieb sie stehen.
„Ich muss mal.“
Darion schüttelte den Kopf. „Vergiss es.“
„Soll ich auf den Gang machen?“
Sybell mischte sich ein. „Wir werden mitgehen.“ Sie nickte Madlene und Mai zu. „Ihr könnt an der Tür Wache halten. Soweit ich weiß, hat die Toilette kein Fenster.“
Darion gab ein Geräusch von sich, das wie ein Knurren klang.
Amalia stellte sich von Madlene, Sybell und Mai flankiert in die Reihe der Wartenden. Es war noch immer brechend voll, und die Annahme, auf dem Klo allein zu sein, war nichts weiter gewesen als eine schöne Illusion.
Amalia begann zu zittern.
„Was hast du?“, fragte Mai besorgt.
„Die Klimaanlage. Mir ist kalt.“
„Zieh deine Jacke an“, schlug Madlene pragmatisch vor.
Amalia kämpfte sich in die steife Lederjacke und versuchte, ihre Furcht zu besiegen.
Sie trat in den Toilettenvorraum mit den Waschbecken, steuerte eine der hinteren freien Toiletten an und sah das Fenster. Sie schielte auf ihre Uhr und sah, dass sie noch ein paar Minuten Zeit hatte. Also ging sie auf die Toilette.
Draußen hörte sie Mais Stimme. „Hast du nicht gesagt, es gibt kein Fenster?“
„Da muss wohl ein Fehler in unserem Informationsnetz vorliegen“, sagte Sybell verwundert. „Sei so gut und sichere das Fenster zusammen mit Madlene, ich warte, bis Amalia draußen ist.“
Amalia kam aus der Toilette und sah Sybell in die Augen. Plötzlich wusste sie, dass Sybell die Verräterin war. Sie hatte gelogen, was das Fenster betraf, und sie hatte Gracia überredet, Amalia zur Zeil.
„Was jetzt?“, fragte sie bleich.
Sybells Augen leuchteten feuerrot auf. Sie veränderte ihr Gesicht zu einer monsterhaften Fratze und drehte sich zu den anderen Frauen in der Toilette um. Schreie wurden laut, die Menschen wichen vor dem entstellten Gesicht zurück. Amalia sah, wie Madlene bewusstlos zusammenbrach. Mai drehte sich hektisch um. „Gas! Das ist eine Falle!“ Sie wollte an Sybell vorbeilaufen, doch die schlug Mai mit einem einzigen Fauststoß nieder. Es knackte hässlich, als Mai zu Boden fiel, und Amalia wurde übel. Hatte sich Mai das Genick gebrochen?
„Was tust du?“, fragte sie fassungslos.
In dem Moment sank auch Sybell zu Boden. Offensichtlich musste sie sich ebenfalls betäuben lassen, damit kein Verdacht auf sie fiel.
Aus dem Fenster kam eine schwarz gekleidete Gestalt, zierlich und schnell wie ein Schatten. Sie riss Amalia mit sich. Amalia schrie auf, ihr Schultergelenk protestierte, als die Fremde es nahezu auskugelte. Eisblaue Augen sahen in ihr Gesicht.
„Los!“
Amalia wurde gepackt und mitgerissen. Sie konnte später nicht einmal sagen, wie Rene sie durch das Fenster gezerrt hatte. Sie fielen in die Tiefe. Sie schrie und erwartete einen harten Aufprall, doch Rene trug sie auf ihren Armen und schützte sie. Ihre Bewegungen waren so schnell, dass Amalia schwindelig wurde.
„Hinter mich und festhalten!“, ordnete Rene an. Sie stieg auf ein Motorrad, das im Schatten der Kirche stand.
Der Polizist, der die Motorräder der Vampire bewachte, versperrte ihnen mit gezückter Waffe den Weg. Er und Rene schossen gleichzeitig. Rene zuckte nicht mal, als die Kugel in ihren Körper drang. Der Mann dagegen sank zu Boden. Die Vampirfürstin hatte seine Stirn punktgenau getroffen.
Rene raste los. Aus den Augenwinkeln sah Amalia Darion, der unmenschlich schnell zu seinem Motorrad rannte und die Verfolgung aufnahm. Weitere Vampire folgten ihm.
Rene und sie hatten bereits einigen Vorsprung, doch Darion gab nicht auf. Amalia blickte zurück und sah, dass er eine Waffe gezogen hatte und auf die Reifen von Renes Maschine zielte. Rene fuhr Schlangenlinien und drängte einen Autofahrer ab. Kugeln schlugen neben ihnen in die Fahrbahn, trotzdem drehte sie sich im Fahren um. Amalia hielt den Atem an. Die Vampirin gab ihrerseits einen Schuss ab und traf. Darions Motorrad rutschte zur Seite. Rene beschleunigte.
Amalia zitterte am ganzen Körper und presste sich an den mageren Leib von Rene. Sie hatten Darion abgehängt. Ein vertrautes Gefühl. Irgendwann waren sie schon einmal gemeinsam jemanden losgeworden, aber es war nicht Darion gewesen.
Sie schloss die Augen. Was würde aus ihr werden? Sie war wahnsinnig,
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