Schwarz auf Rot
auch das mit der eidesstattlichen Erklärung war irgen d wie sonderbar, wenngleich an dem Papier selbst nichts auszusetzen war. Für viele künftige chinesische Emigra n ten war eine solche Bürgschaft reine Formsache, die l e diglich den Visumantrag betraf. Der Bürge einigte sich im voraus mit dem Antragsteller darauf, daß er trotz U n terschrift und Schwur nicht wirklich finanziell für diesen aufkommen würde. Wenn allerdings eine amerikanische Firma die Bürgschaft übernahm, war das etwas anderes. Warum sollte eine Agentur zugestimmt haben, Yin ein ganzes Jahr lang finanziell zu unterstützen? Dazu war eine beachtliche Summe nötig. Soweit Chen wußte, hatte sich Tod eines chinesischen Professors in Amerika nicht allzugut verkauft. Der relativ dürftige Verkaufserlös rechtfertigte bei weitem nicht das Verspr e chen, das die Agentur mit einer solchen Bürgschaft gab.
Er machte sich eine Kanne Kaffee. Pfeifend trommelte er gegen die Dose mit den brasilianischen Kaffeebohnen. Er hoffte, daß ihm das Getränk zu neuen Ideen verhelfen würde.
War es möglich, daß sie mit dieser Agentur einen Ve r trag über ein weiteres Buch abgeschlossen hatte? Wenn ja, dann deckte vielleicht der Vorschuß die mit der Bür g schaft verbundene Summe. Doch es gab keine Hinweise darauf, daß Yin an einem neuen Buch arbeitete.
War das Geld vielleicht für Yangs Gedichtsammlung gezahlt worden? Dafür spräche auch die Tatsache, daß sie das Manuskript in ihrem Banksafe verwahrt hatte.
Doch auch das konnte er nicht beweisen. Außerdem konnte er sich kaum vorstellen, daß für eine Lyrikübe r setzung aus dem Chinesischen derartige Summen bezahlt wurden.
13
Yu brach bereits früh am Nachmittag nach Hause auf. Im Büro des Nachbarschaftskomitees, wo ständiges Kommen und Gehen herrschte, konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Aber ins Präsidium wollte er auch nicht. Eine weitere politische Lektion von Parteisekretär Li war das letzte, was er jetzt brauchte.
Als er zu Hause ankam und in den Hof trat, war er ü berrascht, Peiqin dort beim Pressen von Briketts anz u treffen.
»Du bist aber früh zurück heute.«
»Du auch.«
Es war nicht mehr viel Kohlenstaub übrig. Neben Pe i qin aber erhob sich, ordentlich gegen die Wand gestapelt, ein kleiner Haufen Briketts.
Sie hatte sich ein Brikettmodel von der Kohlehandlung in der Nachbarschaft geliehen; Ober-und Unterschale, die durch eine Stahlfeder verbunden waren. Man füllte den unteren Teil mit Kohlenstaub und besprühte ihn mit Wasser, dann mußte man das Oberteil, das mit Hohlz y lindern besetzt war, kräftig gegen das Unterteil drücken, um das Brikett zu formen. Das Wetter war alles andere als frühlingshaft, und es war ziemlich windig für die Ja h reszeit. An ihren Händen klebte feuchter Kohlenstaub, und ihre Gelenke waren rot vor Nässe und Kälte.
Im ersten Jahr ihrer Ehe hatte er gelegentlich auf diese Weise Briketts hergestellt, um Geld zu sparen, denn den Kohlenstaub verkaufte die Kohlenhandlung wesentlich billiger als fertige Briketts. Während er sich die Ärmel hochkrempelte, fragte er sich, warum sie sich gerade he u te zu dieser mühsamen Arbeit entschlossen hatte.
»Ich bin doch fast fertig, Yu. Mach dir nicht auch noch die Hände schmutzig«, sagte sie und wischte sich den Schweiß von d er Stirn. »Im Zimmer steht ein Topf Bohnensuppe. Geh lieber rein und iß.«
Ihr Handrücken hatte einen hellgrauen Streifen auf i h rer Stirn hinterlassen. Er machte sie nicht darauf au f merksam, sondern sagte statt dessen: »Mach das nicht wieder, Peiqin. Es lohnt sich nicht.«
»Das hat nichts mit Geld zu tun. Für Kohlenstaub braucht man keine Bezugsscheine. Und Gengs Laden läuft einfach zu gut.«
Ein Problem bei Gengs privatem Restaurant war die Kohleversorgung. Die meisten Rationierungen waren für die Stadt Shanghai aufgehoben worden, aber Kohlen w a ren nach wie vor knapp. Peiqin machte Geng bereits die Buchhaltung. Nun schien sie ihm auch noch mit Kohl e coupons auszuhelfen.
»Wir können diese hier für zu Hause benutzen«, e r klärte sie lächelnd, »dann kann er unsere Coupons h a ben.«
Im Zimmer nahm er sich eine Schale von der Suppe aus grünen Bohnen, denen man eine ausgleichende Wi r kung auf die Körperelemente zuschrieb. Eigentlich war jetzt nicht die Zeit für grüne Bohnen; das Gericht mußte aus dem Restaurant stammen. Es war bereits kalt.
Dann kam Peiqin herein. Sie trocknete sich die Hände ab, die sie vermutlich am Waschbecken im Hof gew
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