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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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Yang diese Gedichte in seinen Text integrieren wollen, ähnlich wie das bei Doktor Schiwago der Fall war. Auch Peiqins Eindruck von den gestohlenen Passagen paßte. Die Teile in Yins Roman, die so viel besser geschrieben waren …
    Doch wo befand sich das Manuskript dieses Romans? Chen konnte ja nicht einmal sicher sein, daß es überhaupt je existiert hatte.
    Ihm zumindest ging es häufig so, daß er die Gedanken, die er nach einer schlaflosen Nacht in sein Notizbuch schrieb, später aus irgendwelchen Gründen nie weite r entwickelte, und so blieben sie ewig Fragmente.
    Vielleicht hatte auch Yang nur ein paar Ideen notiert, als er während der Sozialistischen Erziehungsbewegung mit Zhuang im gleichen Raum kaserniert gewesen war, und diese Notizen hatten womöglich nie Eingang in e i nen Roman gefunden.
    Wieder kritzelte Chen etwas auf eine Serviette und steckte sie ein, bevor er aufblickte.
    Weiße Wolke schien den Abend im Golden Times Rolling Backward in vollen Zügen zu genießen. Und o b wohl dieser neue Nostalgiekult ihn nicht wirklich a n sprach, fand auch er es angenehm, in Gesellschaft eines hübschen Mädchens ein so schickes Lokal aufzusuchen. Sie war eine gefragte Tanzpartnerin; ihr Gesicht war g e rötet, während sie mit einem jungen Mann nach dem a n deren tanzte. Sie drängten an ihren Tisch wie Fliegen zum Sirup.
    Chen versagte es sich, mit ihr zu tanzen. Bei einer spöttischen Selbsterkundung registrierte er so etwas wie Eifersucht. Es war doch nur natürlich, daß ein junges Mädchen die Gesellschaft Gleichaltriger vorzog; als ihr zeitweiliger Auftraggeber konnte er kaum mehr als g e schäftliches Interesse erwarten.
    Er dachte an eine Strophe von Yan Jidao, einem Dic h ter aus dem 11. Jahrhundert.
    Mit dir zu trinken machte mich glücklich.
    Nicht achtete ich der geröteten Wangen und tanzte, m it dem sinkenden Mond i n den Weiden und sang, b is ich zu müde war, d en Fächer zu halten, a uf dem sich e ine Pfi r sichblüte entfaltete.

    Die Sprecherrolle in dem Gedicht hatte ein junges Mä d chen wie Weiße Wolke, und dann formte sich die Zeile eines amerikanischen Dichters in seinem Kopf: Ich gla u be nicht, daß sie für mich singen wird.
    Er ließ die Bedienung die Abendkarte bringen, als Weiße Wolke an den Tisch zurückgekehrt war. Er hatte wenig Erfahrung mit nicht-chinesischer Küche, aber ein medium gebratenes Steak war etwas, was man in einem chinesischen Lokal n icht bekam. Sie entschied sich für gebratene Muscheln nach Red-House-Art als Vorspeise, anschließend französische Entenbrust. Er legte ihr nahe, sich doch teurere Speisen auszusuchen, Kaviar und Champagner, wie er es an anderen Tischen gesehen hatte. Er glaubte, ihr das schuldig zu sein.
    Zu seiner Überraschung wählte sie eine Flasche Dyn a sty, einen eher preiswerten einheimischen Wein aus T i anjin. »Dynasty ist gut genug, es wäre töricht, hier so l che Sachen wie XO Cognac oder Champagner zu beste l len«, sagte sie und klappte die Getränkekarte zu.
    Das Steak war zart. Die Bedienung betonte, daß es o riginal amerikanisches Rindfleisch sei. Er wußte nicht, ob das, abgesehen vom Preis, tatsächlich einen Unte r schied machte. Ihre Muscheln schienen exquisit zubere i tet und schimmerten golden im Kerzenlicht. Das M u schelfleisch war ausgelöst und, mit Kräutern und Käse gemischt, wieder in die Schalen gefüllt worden. Das machte es einfach für sie, das Gericht mit der Gabel zu essen.
    »Es schmeckt köstlich«, rief sie begeistert und lud die Gabel gleich noch einmal voll, um sie ihm zum Kosten über den Tisch zu reichen.
    Doch Chen sollte den Abend im Golden Times Rolling Backward offenbar unter keinen Umständen genießen. Erneut begann sein Mobiltelefon zu klingeln. Diesmal war es Yu, der die neuesten Entwicklungen durchgeben wollte. Chen lächelte entschuldigend zu Weißer Wolke hinüber.
    »Ich habe soeben den neuen Bericht von Doktor Xia erhalten. Keiner der Fingerabdrücke in Yins Zimmer stimmt mit Wans Abdrücken überein. Das macht sein Geständnis noch unglaubwürdiger. Zumindest müssen wir annehmen, daß die Sache mit den Schubladen reine Erfindung ist.«
    »Das ist ein wichtiger Punkt.«
    »Ich habe versucht, noch einmal mit Parteisekretär Li darüber zu sprechen, aber der meint, Wan könne sich nicht mehr richtig erinnern, weil er den Mord im Zustand blinder Wut v erübt hat. Anschließend hat er dann gehört, wie alle von den aufgerissenen Schubladen sprachen, und es wiederholt.«
    »So einfach

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