Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
Vom Netzwerk:
erwies sich der schwarze Tee als ein Glas mit einem Teebeutel. Das Popkorn war zu süß und zäh wie Gummi. Der Kaffee schmeckte gut, war aber nicht mehr heiß. Er hatte nichts gegen Teebeutel, allerdings war das nicht gerade die authentisch chines i sche Art der Teezubereitung. Doch er verbot sich solch altmodische Pingeligkeit. Dies hier war eine moderne westliche Bar und kein traditionelles chinesisches Te e haus. Dennoch liebte er das Gefühl eines zarten Teeblatts auf der Zunge. Er nahm einen weiteren Schluck von se i nem lauwarmen Kaffee.
    »Amerikaner essen Popkorn, wenn sie sich amüsi e ren«, sagte sie und schob sich eine Handvoll in den Mund.
    »Die essen das sogar im Kino, soweit ich gehört h a be«, sagte er.
    Was ihn überraschte, war nicht die schlechte Qualität der angebotenen Speisen und Getränke, sondern die Ta t sache, daß die Gäste sich damit zufriedengaben. Die b e sondere Atmosphäre schien alles andere aufzuwiegen. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, das New-World-Projekt könnte in Shanghai tatsächlich Erfolg haben. Ganz gleich, ob Gu dasselbe Mittelschichtpublikum im Auge hatte, wie es hier verkehrte, jedenfalls waren die Chinesen auf neue Formen des Amüsements aus – sog e nannte »Formen des Mehrwerts«, wie er in Einführung in das Marketing gelesen hatte.
    Doch wer legte fest, was einen Mehrwert darstellte, fragte er sich. Das mußte eigentlich dem Geschmack des einzelnen überlassen bleiben. Zum Beispiel war die Le i denschaft für winzige »Lotosfüße«, der sich Frauen in China über Jahrhunderte hatten unterwerfen müssen, eine reine Modesache gewesen. In der Vorstellung mancher Männer hatten sich die mit weißen Stoffstreifen gebu n denen deformierten Füße in Lotosblüten verwandelt, die inmitten der dunklen Nacht erblühten. Wenn die Me n schen nach Werten suchten, dann würden sie sie auf die eine oder andere Art auch finden. Chen kritzelte ein paar Zeilen auf die Papierserviette, aus denen vielleicht später ein Gedicht werden würde.
    »Woran denken Sie?«
    »Ich mache mir nur Notizen. Wenn ich meine Ideen nicht sofort aufschreibe, sind sie morgen schon verge s sen.«
    »Erzählen Sie mir über Ihre Ar beit im Präsidium, O - berinspektor Chen.« Sie zog den Teebeutel an seinem Pappschild chen hoch und ließ ihn wieder auf den Boden des Glases sinken.
    »Hauptwachtmeister Yu wurde mit einem besonderen Fall betraut, den meine Abteilung kürzlich übernommen hat. Eigentlich habe ich ja Ferien, aber wir haben jeden Tag die neuen Entwicklungen besprochen.«
    »Ich meine nicht nur diese Woche«, sagte sie.
    »Was wollen Sie dann wissen?«
    »Warum jemand wie Sie Polizist geworden ist. Ein qualifizierter Wissenschaftler, ein guter Übersetzer, ein erstklassiger Lyriker, und ein guter Polizist scheinen Sie auch noch zu sein.«
    »Sie schmeicheln mir, Weiße Wolke. Ich bin ein ganz normaler Polizeibeamter. Man kann sich nicht immer aussuchen, wo man landet, nicht wahr?«
    Er hatte das nicht als bewußte Anspielung auf ihre A r beit im Karaoke-Club gemeint und bereute seine Worte sofort. Aber diese Frage war ihm schon so oft gestellt worden, daß die Antwort ganz automatisch kam.
    Einen Moment lang blieb sie still.
    Er versuchte, das Gespräch in die von ihm intendierte Richtung zu lenken. »So geht es vielleicht auch jema n dem wie Herrn Gu. Vermutlich hat er sich als Kind nicht träumen lassen, daß er einmal ein millionenschwerer G e schäftsmann sein würde.«
    Zu seiner Enttäuschung wußte sie kaum etwas über Gu. Ihre Beziehung zu ihm war rein geschäftlicher Natur. Er war, ihren Angaben zufolge, kein schlechter Arbei t geber und nutzte die jungen Frauen, die für ihn arbeit e ten, nicht aus. Auch war er relativ großzügig, zumindest ihr gegenüber. Was seine Verbindungen zu den Triaden anbelangte, so sei das in seiner Position nichts Ung e wöhnliches, erklärte sie. Ein Geschäftsmann brauche schließlich einen gewissen Schutz.
    »Gu muß Weihrauch verbrennen, das heißt seine Geldopfer an die Triadengötter machen, und er hat eine gute Hand in diesen Dingen. Seine Beziehungen reichen mittlerweile überall hin, auf geraden wie auf krummen Wegen.« Dann fügte sie mit listigem Lächeln hinzu: »Beziehungen zu mächtigen Männern wie Ihnen …«
    Es war ihm nicht unangenehm, von ihr als »mächtig« eingestuft zu werden, dennoch unterbrach er sie. »Mich dürfen Sie nicht dazuzählen. Sie sind bei ihm aber sicher schon solchen begegnet, die wirklich Macht

Weitere Kostenlose Bücher