Schwarz und Weiss (German Edition)
durch die Tür spähte. Er konnte Stimmen hören und sein Herz schlug sofort schneller. Er schlich an einer gewundenen Holztreppe vorbei und verbarg sich hinter einem Garderobenschrank, der direkt neben dem Durchgang stand, aus dem die Stimmen hervordrangen. Ein Spiegel hing ihm gegenüber an der Wand und beinahe hätte er sich vor seinem eigenen Spiegelbild erschreckt. Dann erkannte er, dass er sich nur ein wenig vorbeugen musste, damit der Spiegel ihm eine perfekte Möglichkeit bot, in den Raum sehen zu können.
Tony konnte ein weiteres Sofa erkennen, allerdings ein kleineres als im anderen Raum, vor dem Jon stand und ihm weitere Sicht versperrte. Die Frau stand daneben und sie unterhielten sich mit jemandem, den Tony nicht sehen konnte.
„…aber können Sie uns nicht wenigstens vorwarnen?“ Jons Stimme klang schwer gefasst und beherrscht.
„Das würde ich wirklich gerne, glauben Sie mir, aber die Umstände machen das etwas schwierig, verstehen Sie?“ Die neue Stimme gehörte einem Mann und klang weich und ehrlich bedauernd, „aber heute habe ich einen wirklich wichtigen Grund.“
Jon raufte sich die Haare. „Susanna?“ Er sah die Frau an und Tony war froh, endlich ihren Namen zu kennen. Sie wandte den Blick von ihm ab. Jon begann, im Zimmer auf und ab zu laufen und Tony konnte endlich einen Blick auf den Mann erhaschen. Er war jung, vielleicht Anfang zwanzig, hatte schulterlange, schwarze Haare und saß mitten auf dem Sofa. Mit hellen, blauen Augen folgte er Jon aufmerksam, den Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben gezogen. Jon ergriff wieder das Wort.
„Das hier ist immer noch das Haus meiner Familie und ich erlaube Ihnen nicht, es für Ihre fragwürdigen Geschäfte zu missbrauchen!“
Der Mann schüttelte lächelnd den Kopf. „Meine Geschäfte, wie Sie es nennen, sind alles andere als fragwürdig. Sie können sich glücklich schätzen, dass ich Sie eingeweiht habe.“
„Ich wünschte, ich hätte niemals davon erfahren.“
Die Position, in der Tony verharrte, war unbequem und er musste sein Gewicht verlagern. Die Augen des Mannes huschten für einen Sekundenbruchteil in seine Richtung, waren aber sofort wieder auf Jon gerichtet. Tony könnte schwören, dass sein Lächeln sich vertiefte.
„Ich habe Ihnen geholfen, wissen Sie nicht mehr? Und außerdem hat niemand bisher etwas mitbekommen, nicht wahr?“, fuhr er unbeirrt fort und legte die Beine hoch.
„Schöne Hilfe, wirklich. Wir hätten gut darauf verzichten können. Wann sagen Sie uns endlich die Wahrheit? Oh, und könnten Sie wenigstens die Füße vom Sofa nehmen?“, meldete sich nun Susanna, „wer weiß, wo Sie heute wieder überall gewesen sind…“
„Oh, keine Sorge, ich habe mich umgezogen, bevor ich hierher gekommen bin“, beruhigte er sie. Er sah in Gedanken versunken aus dem Fenster und ignorierte ihre vorigen Fragen.
Tony zuckte zusammen, als die Treppe neben ihm knarrte.
„Heute bin ich nicht freiwillig hierher gekommen. Wie bereits gesagt wurde ich aus einem bestimmten Grund hierher geschickt“, erklärte der Mann.
„Es ist mir egal, warum Sie hier sind, nur verschwinden Sie möglichst schnell wieder!“, fuhr Jon ihn an. Langsam begann er, die Beherrschung zu verlieren.
„Glauben Sie mir, das würde ich gerne, aber noch kann ich nicht gehen.“ Er schüttelte scheinbar bedauernd den Kopf, „kommen Sie schon, Jon. Ich habe Sie einmal mitgenommen, Sie wissen, wie es ist, dort zu leben.“ Die ganze Zeit über hatte er sein Lächeln aufbehalten.
Jon schien hin und her gerissen. Tonys Neugier steigerte sich mittlerweile von Minute zu Minute. Wie gerne würde er doch wissen, worüber sie die ganze Zeit sprachen…
„Der Grund, warum ich hergeschickt wurde, steht übrigens nur einen Raum weiter hinter einem Schrank“, sagte der Mann wie beiläufig und Tony wurde aus seinen Gedanken gerissen. Das Blut gefror ihm in den Adern. Er betete, dass der Mann nicht ihn selbst meinte. Woher sollte er wissen, dass Tony im Haus war?
Jon und Susanna sahen sich verwirrt an.
Tony war inzwischen zu Stein erstarrt. Er hielt sogar die Luft an.
„Glauben Sie, ich lüge?“, fragte der Mann.
„Ich weiß schon lange nicht mehr, was ich von Ihnen halten soll!“, sagte Jon. Der Mann seufzte übertrieben auf. „Warum gesellst du dich nicht endlich zu uns, Tony?“, rief er dann in Tonys Richtung und er hätte im Boden versinken können.
„Was…“, fing Jon an, aber die Frage blieb ihm im Hals stecken. Der Mann vom Sofa sah
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