Schwarz und Weiss (German Edition)
mitgeteilt worden, dass sich ein Gefängnisflüchtling in seinem Haus aufhielt und zu allem Überfluss sollte er ihm auch noch etwas erklären, was auch immer es war. Tony musste zugeben, dass die Neugier ihn fast verrückt machte. Worüber unterhielten sich die drei die ganze Zeit?
„Ich dachte, Sie müssten weg“, sagte Jon misstrauisch, „und alleine mache ich das sicherlich nicht.“
„Dann müssen wir uns alle noch ein wenig gedulden. Ich bin sowieso schon spät dran. Wir haben ein Treffen um Mitternacht.“
„Bei euch müsste es jetzt elf Uhr abends sein…“ Jon schaute prüfend auf eine alte Standuhr, die in der Ecke vor sich hin tickte. Sie zeigte acht Uhr. Wo auch immer der Fremde herkam, dort war es drei Stunden später als hier. Tony wunderte sich, wo das sein mochte und wie er es schaffen sollte, so schnell dorthin zu gelangen. Langsam spürte er neben seiner Verwirrung eine schwere Müdigkeit in sich aufkommen und musste ein Gähnen unterdrücken.
Was dem Fremden natürlich sofort auffiel. Er sah ihn schief an.
„Ich versuche, so schnell wie möglich wieder zurückzukommen“, versprach er, „könnten Sie Tony vielleicht ein Zimmer geben, wo er schlafen kann?“ Er sah von Jon zu Susanna und wieder zurück. Tony war empört, dass er wie ein kleines Kind behandelt wurde und wollte sich schon unanständig dazu äußern, aber Susanna schnitt ihm das Wort ab.
„Er kann nach ganz oben ins Dachgeschoss.“ Sie sah Tony jetzt direkt in die Augen. „Aber ich würde gerne die Tür abschließen. Ich weiß nicht, wer du bist und ob ich dir vertrauen kann.“
Tony nickte langsam. Dass sie ihn mit du anredete, wunderte ihn, aber er freute sich auch irgendwie darüber. Mit einer abgeschlossenen Tür konnte er leben, aber immerhin sprach jetzt jemand normal mit ihm. Außerdem konnte er ihre Sorge verstehen.
„Sehr schön“, freute sich der Mann und fing nun an, in den Taschen seines Mantels herumzuwühlen. Tony hörte ein leises Klirren, als er eine Art Schlüsselbund herausholte, allerdings ohne Schlüssel, sondern mit unzähligen kleinen, viereckigen Anhängern daran. Der Mann bemerkte Tonys Blick und sah kurz auf, sagte aber nichts. Stattdessen suchte er sich mit einem Lächeln auf den Lippen einen der Anhänger heraus und wandte sich zum Korridor um. Alle anderen schwiegen derweil.
„Und Sie sind sicher, dass Sie schon gehen wollen?“, fragte Jon mit geheuchelter Höflichkeit.
„Ja, ich denke schon. Man würde mir den Kopf abreißen, wenn ich zu spät käme.“ Er drehte den einen Anhänger in der Hand, während er nach draußen ging. Jon und Susanna machten keine Anstalten, ihm zu folgen. Tony schon. Er warf den anderen einen kurzen Blick zu und holte den Mann an der Haustür ein. Der Mann drehte den Schlüsselbund in der Hand hin und her. Er schien nachzudenken. Sein Lächeln war plötzlich spurlos verschwunden.
„Was soll ich hier?“, fragte Tony ihn eindringlich.
„Ich komme bald wieder und erkläre es dir. Aber es wird nicht einfach.“
„Habe ich eine andere Wahl?“, fragte Tony missmutig.
„Die hast du tatsächlich nicht.“ Das Lächeln war wieder da, genauso ungetrübt wie zuvor. Das musste etwas sein, das er wirklich gut konnte.
Tony brummte. Wie konnte er sich darauf verlassen, dass Jon und Susanna ihn nicht verrieten und der Polizei auslieferten?
Der Mann machte die Tür auf und ging hinaus. Es regnete wieder in Strömen, aber das schien ihm nichts auszumachen. Tony wollte die Tür gerade wieder schließen, als ihm noch etwas einfiel.
„Warten Sie! Ich weiß immer noch nicht, wie Sie heißen!“
Der Mann blieb stehen und drehte den Kopf in Tonys Richtung. Er hatte wieder sein merkwürdiges Lächeln aufgesetzt, auch wenn es nun ein wenig traurig wirkte.
Er sagte nur noch ein Wort, bevor er endgültig im Regen verschwand. Seinen Namen. „Solyce.“
Die Jagd beginnt
Tony wusste nicht, was er von alledem halten sollte. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, stand er noch eine Zeit lang sinnloserweise im Korridor herum und wusste nicht, was er tun sollte. Der Name des Fremden musste aus dem Ausland stammen, da Tony ihn zuvor noch niemals gehört hatte. Er fragte sich, wo Solyce herkam und ob er keinen Nachnamen besaß, oder ihn einfach nicht preisgeben wollte, was Tony für wahrscheinlicher hielt. Er beschloss, ihn zu fragen, wenn er zurückkommen würde.
Plötzlich hörte er hinter sich ein deutliches Räuspern.
„Ich zeige dir das Zimmer.“ Jons Stimme klang
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