Schwarz und Weiss (German Edition)
über den Tresen und winkte sie näher zu sich heran. Obwohl er sich bemühte, so leise wie möglich zu sprechen, konnte Tony gut verstehen, was sie beredeten.
„Er ist wieder in unserem Haus“, sagte der Mann hitzig.
„Beruhige dich, Jon“, bat die Frau ihn, aber er schien sie nicht zu hören.
„Ich kann mich nicht beruhigen! Wir haben ihm vor Monaten gesagt, dass das so nicht weitergeht! Findest du nicht auch, wir sollten nochmal mit ihm reden?“
Sie seufzte leise. „Was sollen wir da schon reden. Er tut doch nichts Böses.“
„Einfach immer dann aufzutauchen, wenn es ihm passt…meiner Meinung nach sollte er uns gegenüber ein wenig mehr Respekt zeigen. Immerhin stellen wir ihm unser Haus zu Verfügung!“
„Wir sind es ihm schuldig! Und sprich nicht so laut!“, sie sah sich unruhig um, „man wird uns noch hören!“
„Ist ja gut.“ Jon zögerte. „Aber tu mir einen Gefallen: beende deine Schicht hier und komm mit nach Hause! Ich halte es mit diesem Kerl nicht mehr lange aus!“
Er rutschte auf seinem Hocker hin und her. Das Gespräch hatte Tonys Interesse geweckt.
„In Ordnung, ich komme“, sagte die Frau schließlich, „Claire kommt sowieso in ein paar Minuten, sie kann meine Schicht übernehmen.“
„Gut“, sagte Jon hörbar erleichtert und stand auf. Die Frau kritzelte eine Nachricht auf ein Stück Papier und hängte sie an die Pinnwand, bevor sie dem Mann aus der Bar folgte. Tony wartete ein paar Sekunden, dann stand er ebenfalls auf und beeilte sich, das Gebäude zu verlassen. Er wusste nicht, warum er ihnen folgte. Vermutlich war es einfach nur Neugier.
Es hatte aufgehört zu regnen, aber da es auf den Abend zuging, blieb der Himmel dunkel. Sie gingen schnell und Tony musste versuchen, mit ihnen mitzuhalten und gleichzeitig aufpassen, dass sie ihn nicht bemerkten.
Sie durchquerten die ganze Stadt, ohne sich umzusehen. Tony war mehr als gespannt, wo sie ihn hinführten. Schließlich bogen sie nach links auf einen schmalen Weg in den Wald ab. Jon legte seinen Arm um die Schultern der Frau und lange folgten sie einfach nur dem gewundenen Pfad, der nur gelegentlich von einer schwachen Straßenlaterne erleuchtet wurde. Der Schotter knirschte unter Tonys Füßen und er hoffte, dass man ihn nicht allzu laut hörte.
Hinter der nächsten Kurve kam ein großes Haus in Sicht. Es hatte drei Stockwerke und war bei weitem nicht so hässlich wie der Rest der Stadt, auch wenn es eindeutig alt war. Das Dach war ein wenig schief und die roten Ziegelsteine standen teilweise aus der Wand. Trotzdem wirkte es Tonys Meinung nach sehr majestätisch.
Jon blickte kurz über die Schulter, als habe er etwas gehört und Tony versteckte sich hinter einem breiten Baum. Er schaute durch die herunterhängenden Zweige auf die Eingangstür und konnte erkennen, dass der Mann sie aufschloss und sie beide hineingingen.
Ich bin vollkommen wahnsinnig...
Leise schloss sich die Tür wieder und Tony kam aus seinem Versteck hervor. Er bahnte sich einen Weg durch das hohe Gras, um von der Seite durch ein Fenster sehen zu können. Es war trüb und verstaubt, aber Tony konnte einen Teil eines langen Korridors erkennen.
Ein roter Teppich bedeckte den Boden und an einer Wand hing ein riesiges Bild, das einen beleibten Herrn mit einer noch beleibteren Katze auf dem Schoß zeigte. Von der Decke hing ein schwerer Kronleuchter, auf dem unzählige Kerzen brannten. Tony fragte sich, wie viel Geld jemand haben musste, um sich so etwas leisten zu können.
Die Frau betrat den Korridor, Jon im Schlepptau. Sie unterhielten sich offensichtlich angeregt und verschwanden durch eine Tür in ein weiteres Zimmer. Tony suchte nach einem weiteren Fenster und wurde schnell fündig. Es stand einen Spalt breit offen und ein heller Lichtstrahl drang heraus. Tony ging leise darauf zu und warf einen Blick hinein. In der hintersten Ecke stand ein Kamin, in dem ein Feuer vor sich hin prasselte. Sein Blick fiel auf eine Tür am anderen Ende des Raumes, die wohl zum hinteren Garten führte. Sie stand offen.
Tony witterte seine Chance und rannte um die Ecke des Hauses, um zu ihr zu gelangen.
„Ich bin vollkommen wahnsinnig“, wiederholte er murmelnd und drückte sie behutsam weiter auf. Vor ihm befand sich ein gewaltiges, rotes Sofa, auf dem eine fette, schwarze Katze schlief. Sie ließ ein zufriedenes Schnurren hören. Tony schob sich so leise wie möglich an einem Bücherregal an der Wand entlang, bis er zum Korridor gelangte, wo er wachsam
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