Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
Adressbuch, und
anschließend kannst du diese ganze Sache mit Natalie Fortuin und dem Foto einfach vergessen. Du lebst dein Leben weiter, ich
meines.«
»N. D.?«
»Du würdest es sowieso nicht verstehen.«
»Sagen Sie’s mir trotzdem.«
»N. D. steht für Nostradamus-Dokument. Kleiner Insider-Witz … Abgemacht?«
|71| »Geht in Ordnung.«
»Ich rufe dich an.« Der Anrufer legte auf.
Endlich sah Dekker Mbali an. Sie klatschte die Fortuin-Akte vor ihn auf den Tisch. »Du hast die Telkom-Listen noch nicht angefordert.«
»Mache ich später. Erst mal habe ich ihr Vorstrafenregister rausgesucht.«
»Warte, lass mich raten: Sie hat wegen Autodiebstahls gesessen. Gehörte zu einer Bande …«
»Knapp daneben. Sie hat 1999 eine Bewährungsstrafe erhalten Die damalige Soko Autodiebstahl hat sie wegen Hehlerei verknackt.
Sie hat in einer Werkstatt in der Voortrekkerstraat gebrauchte Autos verkauft, und bei zwei Fahrzeugen stimmten Motor- und
Fahrgestellnummer nicht überein.«
Mbali nickte. »Ich sag dir eins: Die Sache stinkt nach organisiertem Verbrechen. Und es steckt auch noch ein Polizist mit
drin.«
»Ach ja?«
»Ja, ich habe mich nämlich inzwischen mit Telkom in Verbindung gesetzt. Die Fortuin hat heute Morgen mit jemandem hier im
Präsidium telefoniert. Um kurz nach neun.«
»Mit wem denn?« Verriet ihn seine Stimme?
»Das werde ich gleich herausfinden«, sagte Mbali und tippte mit dem Zeigefinger auf die Akte. »Und dass du mir die Unterlagen
alle in der richtigen Reihenfolge abheftest. Du weißt, in meinen Akten herrscht Ordnung.« Dann ging sie.
Als Mbali die Tür hinter sich geschlossen hatte, saß er |72| eine Weile lang still da und versuchte, wieder ruhiger zu atmen. Wie hoch war das Risiko, dass sich jemand in der Wache daran
erinnern würde, dass heute Morgen um kurz nach neun eine Frau angerufen und ausdrücklich Fransman Dekker verlangt hatte?
Gering. Aber man konnte es eben nie wissen, das war das Problem. Es würde reichen, wenn ein aufgeweckter junger Konstabel
mit dem Gedächtnis eines Elefanten den Anruf entgegengenommen hatte.
Hastig schob er das Vorstrafenregister in die Akte und ging rasch zu dem schwarzen Brett, auf dem die Aktennummern aller Fälle
der letzten drei Monate neben dem Namen des zuständigen Ermittlers standen. Mit klopfendem Herzen ließ er den Zeigefinger
an der Liste hinunterwandern. 2008/11/23/37B stand neben dem Namen
Inspector Mbali Kaleni
.
Er fluchte. Wieso ausgerechnet sie?
Er eilte zum Aktenschrank an der Wand, fand die richtige Schublade und öffnete sie, konnte aber die Akte nicht entdecken.
Sie musste auf ihrem Schreibtisch liegen.
Er war allein in dem großen Büro. Sie würde bestimmt noch zehn Minuten wegbleiben. Er ging zu ihrem Schreibtisch. Ordentlich
aufgeräumt, wie immer. Die Mappen auf drei säuberliche Stapel verteilt. Er blätterte den ersten Stapel durch und fand praktisch
sofort, wonach er suchte. Mit fieberhafter Eile blätterte er die Akte durch: ein Autoklau, der aus dem Ruder gelaufen war.
Vincent van der Westhuizen, ein 35-jähriger Mann aus Table View, hatte am 12. Januar in Kenridge versucht, einen Jeep Grand
Cherokee zu kapern. Die Besitzerin des Jeeps, eine gewisse Regina |73| Kemp, hatte jedoch vorsichtshalber ihre Beretta Vertec auf dem Schoß liegen, während sie darauf wartete, dass sich das automatische
Tor vor ihrem Haus öffnete. Sie hatte van der Westhuizen, einen Exhäftling mit drei Verurteilungen wegen Autodiebstahls, zwei
Mal aus nächster Nähe in die Brust geschossen. Durch eine Notoperation in einer Privatklinik konnte ihm das Leben gerettet
werden, und seitdem genas er unter polizeilicher Bewachung.
Dekker blätterte weiter zum Beweisstückregister. Die Liste war nicht lang. Eine silberfarbene Smith & Wesson-Pistole, Modell
457S, Kaliber 45, Munition, die Patronenhülsen der Beretta von Mevrou Kamp, die Beretta selbst, ein Kurzarmhemd mit bläulich
eingetrockneten Blutflecken, Zündschlüssel für einen Ford Ranger 2.5 Diesel, Baujahr 2006, ein Lederportemonnaie mit 136,51
Rand Bargeld, einer Scheckkarte und einem Führerschein auf den Namen Vincent van der Westhuizen. Und ein schwarzes Adressbuch.
Dekker glaubte, draußen vor der Tür Schritte zu hören, und schob die Akte zurück. Schon ging die Tür auf, und Vusi Ndabeni,
der einzige xhosa-stämmige Ermittler bei der Kripo Bellville, kam pfeifend herein und sagte: »Hi, Fransman.«
»Hi, Vusi«, antworte er.
Weitere Kostenlose Bücher