Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
Mbali so viel Potenzial, dass es unmöglich war, sie nicht wieder zu verwenden.
Ich vermute, dass sie auch in Zukunft häufig in meinen Büchern erscheinen werden.
Verschwunden
Die Ansicht, das Schreiben sei eine »Kunst« und ich als Autor ein »Künstler«, hat mir seit jeher einiges Unbehagen bereitet.
Dies hat in erster Linie mit meiner Art der Recherchen, der Planung und des Schreibens an sich zu tun, die sich vielmehr wie
harte Arbeit anfühlt als wie ein künstlerischer Prozess der Kreativität, bei ich mich gedulden muss, bis eine mystische Muse
ihren Schleier spielerisch lupft, um mir die Geheimnisse der Geschichten zu offenbaren.
Seitdem Thomas Alva Edison 1932 sagte, Genius sei zu einem Prozent Inspiration und zu neunundneunzig Prozent Transpiration,
wurde diese Weisheit oft von Autoren |256| zitiert, um den Schreibprozess zu charakterisieren. Auch ich kann mich dem nur anschließen.
Vor allem während der Arbeit an einem Roman fühle ich mich wie ein Handwerker, ein Maurer vielleicht, der das Rohmaterial
herbeitransportieren, den Beton mischen, die Backsteine Schicht um Schicht legen und mörteln und Wände und Ecken wieder und
wieder ausmessen muss. Es bedeutet Monate lange, schweißtreibende Schufterei, bis das Haus endlich steht – und selbst dann
noch bin ich mir der Fehler in meiner Konstruktion schmerzlich bewusst, für die ich keine befriedigende Lösung gefunden habe.
Meine Erklärungen für die meisten Phänomene eines Schreibprozesses sind ziemlich pragmatisch. Als gutes Beispiel mag die Fähigkeit
der Charaktere dienen, die Handlung an sich zu reißen und in eine neue Richtung zu lenken. Dies liegt meiner Meinung nach
einfach nur daran, dass der Autor einen immer tieferen Einblick in die Psyche der fiktiven Menschen gewinnt, je weiter sich
das Buch entwickelt. Dadurch wird es ihm unmöglich, Handlungsprobleme in einer Art und Weise zu lösen, die dem psychischen
Profil seiner Charaktere widersprechen würde. Andererseits vermute ich, dass das menschliche Gehirn irgendwann nicht mehr
zwischen echten und fiktiven Menschen unterscheiden kann, wenn es über Monate hinweg Tag für Tag viele Stunden lang in ihrer
»Gegenwart« verbracht hat.
Manchmal allerdings geschieht etwas, wofür ich keine logische Erklärung habe.
Vermisst
ist ein gutes Beispiel dafür.
An einem Freitagabend 1994 hatte ich vor dem Schlafengehen in der wunderbaren Kurzgeschichtensammlung
In die omtes van die hart
von Petra Müller gelesen. Eine Geschichte |257| über ein Kind, das am Overberg einen Leoparden sieht, war die letzte, die ich verschlungen hatte, bevor ich das Licht ausschaltete.
Ich muss hinzufügen, dass Petras Vater Polizist in Botrivier war, was sie häufig in ihre Geschichten einflocht.
Als ich dann am Samstagmorgen erwachte, hatte ich
Vermisst
im Kopf, die ganze Geschichte vom Anfang bis zum Ende. Ich bin aufgestanden, an den Computer gegangen und habe sie niedergeschrieben,
ohne abzusetzen, genauso, wie sie jetzt hier steht. So leicht war und ist es mir sonst nie gefallen, eine Geschichte zu schreiben,
und ich weiß keine Erklärung dafür, warum das so war, denn weder am Freitagabend noch am Samstagmorgen hatte ich bewusst einen
Gedanken an die Planung einer neuen Geschichte verschwendet.
Deswegen möchte ich diese Geschichte Petra widmen, die in einer dunklen Nacht in Melkbosstrand meine mystische Muse war.
Der Schuh in Maria
Marlene van Niekerk ist eine unserer nationalen Koryphäen, und zwar in jeder Hinsicht.
Ich hatte das Glück, zwei Jahre lang bei ihr studieren zu dürfen, im Rahmen der Meisterwerkstatt für kreatives Schreiben an
der Universität Stellenbosch (
Der Atem des Jägers
war das Produkt dieses Kurses) – eine anregende, unbeschreiblich lehrreiche und höchst angenehme Erfahrung, die mir als Autor
und Mensch viel bedeutet hat.
Ich muss zugeben, dass ich in diesen beiden Jahren ein |258| absoluter Fan (oder besser: Groupie) von Marlene geworden bin. Sie ist sowohl als Schriftstellerin als auch als Akademikerin
und Dozentin nachweislich genial. In Verbindung mit ihrem Einfühlungsvermögen, ihrem Mitgefühl, ihrem Humor, ihrer literarischen
Leidenschaft und ihrer Menschlichkeit macht sie das meiner Meinung nach zur perfekten Dozentin, vor allem für diese Art von
Kurs mit seinen einzigartigen Herausforderungen und den unterschiedlichen Persönlichkeiten der teilnehmenden Autoren.
Um nur ein Beispiel für ihre Klugheit zu nennen: Eine
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