Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
der Protagonistinnen in
Der Atem des Jägers
ist die Hure Christine, eine Figur, die hohe Anforderungen an meinen männlichen Bezugsrahmen stellte. Trotz meiner ausführlichen
Recherchen, der breit gefächerten Lektüre sowie Gesprächen mit Psychologen, Sprecherinnen der Prostituiertengewerkschaft und
Prostituierten selbst gelang es mir nicht, Christine wirklich plausibel darzustellen.
Marlene lud mich ein, an einem Dienstagnachmittag auf einen Plausch zu ihr ins Büro zu kommen. »Ich habe eine Handtasche für
Christine gepackt«, verkündete sie. Diese Tasche packten wir gemeinsam aus, und dabei besprachen wir ausführlich jeden Artikel
darin – ein Entdeckungsprozess der Psyche meiner Figur. Dank Marlenes kreativer Unterrichtsmethoden und ihrer intensiven Bemühungen
sah ich endlich Licht am Ende des Tunnels.
Die monatlichen Kolloquien boten ebenfalls jedes Mal neue Überraschungen. Eine davon war ein Artikel über den Schuhdesigner
Manolo Blahnik aus der Zeitschrift
New Yorker
(
High Heel Heaven
von Michael Specter,
The New Yorker,
20. März 2000) »Lest euch das durch«, lautete Marlenes |259| Auftrag. »Stellt dann Recherchen über das Design und die Produktion von Schuhen an und schreibt die erste Hälfte einer Kurzgeschichte
darüber.«
So entstand
Der Schuh in Maria.
Ich erledigte meine Hausaufgabe, schrieb jedoch die zweite Hälfte der Geschichte erst Monate später, nachdem ich die Arbeit
an
Der Atem des Jägers
beendet hatte.
Diese Kurzgeschichte möchte ich gerne Frau Professor Marlene van Niekerk widmen.
Auszeit
Die Zeit ist ein fantastisches Phänomen für einen Thrillerautor.
Enge Fristen zum Beispiel eignen sich hervorragend dazu, die Mühen und Anstrengungen eines Protagonisten zusätzlich zu verkomplizieren;
ich denke dabei zum Beispiel an die sieben Tage, die Zatopek van Heerden in
Tod vor Morgengrauen
zur Verfügung stehen, um ein Testament aufzuspüren, oder an die zweiundsiebzig Stunden, in denen es Tobela Mpayipheli von
Kapstadt nach Lusaka schaffen muss, um das Leben eines alten Freundes zu retten (
Das Herz des Jägers
). Doch am weitesten verbreitet ist das Motiv der tickenden Zeitbombe, wie ich sie in der Fernsehserie
Transito
eingesetzt habe.
Der Zeitablauf kann auch dazu dienen, eine Kriminalgeschichte zu verdichten. So habe ich in
Der Atem des Jägers
versucht, die Chronologie ein wenig zu verdrehen, um den Lesern ein zusätzliches Rätsel aufzugeben.
|260| Bei jedem Buch achte ich sehr stark auf die Stimmigkeit der erzählten Zeit und lege stets ein Schema in Excel an, um sicherzugehen,
dass ich die Tage, Wochen und Monate richtig zähle. Dieser Prozess lag zum Beispiel dem Konzept von
13 Stunden
zugrunde, in dem die Zeit die gesamte Struktur des Buches bestimmt.
Doch das Wesen der Zeit fasziniert mich auch auf einer anderen Ebene. Ihre Physik macht mich sprachlos – Einsteins Relativitätstheorie,
Zeit als »vierte Dimension« und all die schönen fiktionalen Perspektiven, die sich mir dadurch eröffnen.
Außerdem liebe ich seit meiner Teenagerzeit Science Fiction, vor allem, wenn sie von Zeitreisen handelt. Meine Lieblingsromane
sind
Die Zeitmaschine
von H. G. Wells,
Reise in die Zukunft
von Robert A. Heinlein,
Zeitschaft
von Gregory Benford (Astrophysiker an der Universität Kalifornien),
Replay
von Ken Grimwood,
Somewhere in Time
von Richard Matheson und das etwas jüngere Werk
Die Frau des Zeitreisenden
von Audrey Niffenegger.
Diese Vorliebe führte dazu, dass es auch mich irgendwie reizte, selbst irgendwann eine Geschichte zu schreiben, die von einer
Manipulation der Zeit handelt. (Wobei die Tatsache, dass berühmte Krimiautoren wie Ed McBain und John D. MacDonald ebenfalls
Science Fiction geschrieben haben, zusätzlich motivierend wirkte. Irgendwie fand ich es beruhigend, dass man sich durchaus
hin und wieder aus seiner Nische herausbewegen kann. Ehrlich gesagt habe ich mich bei
Auszeit
möglicherweise ein wenig von
The Girl, the Gold Watch And Everything
von John D. MacDonald inspirieren lassen – was mir jedoch erst bewusst wurde, |261| nachdem ich die Arbeit an der Geschichte bereits beendet hatte.)
Im März 2008 sandte mir Frieda le Roux von der Tageszeitung
Die Burger
eine E-Mail, in der sie mich um eine Fortsetzungsgeschichte bat. Damit reifte der unbestimmte Reiz rasch zu einem konkreten
Plan heran. Frieda stellte jedoch einige Bedingungen:
Es mussten zwölf Folgen à ungefähr 2000 Wörtern werden.
Es sollte eine
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