Schwarz wie Samt
auf, als er mit dem Gewehr auf mich zu kam und meinen Namen rief.
Als ich schweißgebadet erwachte, rief tatsächlich jemand meinen Namen. Es war Frau Koch. Sie stand an der Eingangstür und klopfte. Ich war im Nachthemd heruntergerannt und öffnete ihr noch völlig verstört und verschlafen. In ihrer etwas unbeholfenen Art, mit hochgezogenen Schultern und den Händen zu einem Knoten verschlungen sagte sie mit weinerlichen Stimme:
„Ach Arven, gerade hat mich deine Mutter angerufen. Sie hat mir alles erzählt. Das ist ja schrecklich!“ Mit Tränen in den Augen ging sie auf mich zu. Ich nahm sie wortlos in den Arm und drückte sie. Musste ich sie jetzt trösten, weil es mir schlecht ging? Die Situation war etwas absurd. Indem ich sie losließ, sagte ich:
„Aber beruhigen Sie sich doch. Ich gehe jetzt erst einmal ins Krankenhaus und dann sehen wir weiter. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm wie es aussieht.“ Frau Koch hatte sich auf mein Sofa gesetzt und knetete wieder ihre Hände. Das Entsetzen war ihr ins Gesicht geschrieben. Meine Mutter hatte wieder maßlos übertrieben, befürchtete ich. Frau Koch sagte, als sie sich wieder etwas beruhigt und geschnäuzt hatte:
„Deine Mutter kommt heute um 18 Uhr in Tempelhof an. Ich werde sie abholen.“
„Danke“, sagte ich, „dann kann ich in Ruhe meine Sachen fürs Krankenhaus zusammensuchen.“ Als Frau Koch wieder gegangen war, ging ich unter die Dusche. Ich wollte den letzten Tag vor dem Krankenhausaufenthalt noch einmal in die Stadt fahren und mich irgendwie ablenken. Außerdem wollte ich mich mit Marek verabreden.
Als ich ihn anrief, war nur der Anrufbeantworter dran. Ich sagte ihm, dass ich es später noch einmal probieren würde. Dann fuhr ich in die Innenstadt und suchte mir einen Parkplatz in der Nähe der Fußgängerzone. Es war schon um 11 Uhr morgens so heiß, dass ich meine Jacke ausziehen musste. Ich kaufte mir im KaDeWe eine komplette Kosmetikserie und die Verkäuferin lächelte mich freundlich an, als sie mir erklärte, dass die Wirkung der Cremes einfach umwerfend wäre und mich zum Strahlen bringen würden. Ich hoffte, sie würde Recht behalten. Das hatte ich im Krankenhaus ziemlich sicher nötig. Dann ging ich in die Dessous-Abteilung und kaufte mir Nachtwäsche. Als ich der Verkäuferin erklärte, ich bräuchte etwas fürs Krankenhaus, blickte sie mich mit großen Augen an. Etwas irritiert deutete sie auf einen Ständer mit Nachthemden, die alles andere als schick waren. Wahrscheinlich hatte sie Recht, diese Art von Nachtwäsche war wohl besser fürs Krankenhaus geeignet. Ich kaufte ein paar Nachthemden aus Baumwolltrikot mit Blumen und Rüschen. Das war eigentlich nicht mein Stil, aber sie sagte mit Kennermiene: „In den Krankenhäusern bestehen sie auf kochbarer Wäsche, denn sonst bekommen sie einfach einen Leinenkittel, der nicht einmal zugeknöpft werden kann.“ Ich war dankbar für so viel praktischen Menschenverstand.
Nach ein paar weiteren Einkäufen, fiel mir Marek wieder ein. Ich eilte zur nächsten Telefonzelle und rief ihn an. Endlich war er zu Hause. Ich schlug ihm vor, sich mit mir in unserem kleinen Lokal zum Abendessen zu treffen. Marek freute sich und sagte sofort zu. Er stand bereits am Tresen und nahm einen Aperitif, als ich zur Türe hereinkam. Ich ging auf ihn zu und er küsste mich zur Begrüßung auf beide Wangen und führte mich zu einem kleinen Tisch am Fenster. Dann bestellte er auch für mich einen Drink. „Schön, dass du so kurzfristig Zeit für mich hast“, sagte ich indem ich ihm zuprostete.
„Aber du weißt, dass ich für dich immer da bin“, sagte Marek mit einem Augenzwinkern. Die Art wie er dem Kellner zuwinkte und die Speisekarte bestellte, zeigte mir, wie sehr er sich auf einen netten Abend mit mir gefreut hatte. Ich wusste, dass ich ihm diesen Abend verderben würde, wenn ich ihm die Wahrheit sagte. Ich beschloss es erst nach dem Essen zu tun. Als ich auch nach dem zweiten Gang, den Teller kaum berührt zurückgehen ließ, sagte Marek verwundert:
„Du hast ja kaum etwas gegessen, dabei könntest du gut ein paar Pfund mehr vertragen.“ In diesem Moment schossen mir die Tränen in die Augen.
„Ich weiß“, sagte ich, nachdem ich den Kloß, der mir im Halse steckte, hinuntergewürgt hatte, „aber mir ist der Appetit vergangen!“ Marek sah mich noch immer überrascht an: „Habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte er kleinlaut.
„Nein, Marek, ich habe mich mit dir verabredet, weil ich
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