Schwarz wie Samt
mischte. Frau Koch servierte mir neben meinem Kaffee die Post und ich sah die Briefe kurz durch. Es war nichts Wichtiges dabei, so dass ich in aller Ruhe mein Frühstück genoss.
16. Kapitel
Ich ging nach dem Frühstück hinüber in mein Haus, um mich für die Beerdigung umzuziehen. Es war ein heißer Junitag. Die Rosen vor meinem Küchenfenster dufteten so stark, dass ihr Geruch bis herein drang. Ich setzte mich kurz ans Fenster und ließ die vergangene Nacht noch einmal Revue passieren.
Ich hatte Salman wieder einmal betrogen und fühlte mich überhaupt nicht schuldig. Obwohl ich ihn noch immer liebte, war mir Marek auch sehr nahe und seine Gegenwart wirkte auf mich beruhigend und gleichzeitig aufregend. Mein Vater hatte früher immer meinen starken Willen gerühmt, wenn es darum ging, sportliche Ziele zu erreichen. Doch leider war dieser Wille nicht mehr vorhanden. Ich fühlte mich in der letzten Zeit hin- und hergerissen und wusste nicht, wofür ich mich entscheiden sollte. Selbst mein Studium, das ich jetzt in Berlin wieder aufnehmen könnte, interessierte mich kaum.
Das Hotel warf genug ab, um ein angenehmes Leben zu führen und früher oder später würde ich auch die anderen beiden Hotels übernehmen. Meine Mutter würde sich in ein paar Jahren zurückziehen, denn mein Vater hatte nicht die Chance, sich nach Berlin versetzen zu lassen. Er würde irgendwo in der Welt eine neue Botschafteraufgabe übernehmen und sie würden wieder umziehen und meine Mutter würde wieder einen neuen Garten anlegen.
Während ich noch meinen Gedanken nachhing, klingelte das Telefon. Es war die Arztpraxis, die meine Untersuchungen durchgeführt hatte. Der Arzt selbst wollte mich sprechen. Dr. Garimba sagte in ruhigem Ton: Frau Martinez ich möchte sie bitten, so bald wie möglich wieder in die Praxis zu kommen, damit wir ihr Ergebnis besprechen und die weitere Behandlung einleiten können. Vielleicht können Sie noch heute bei uns vorbeikommen.“
Ich war so überrascht, dass ich zunächst gar keine Fragen stellte. Statt dessen sagte ich: „Wenn Sie meinen, schaue ich heute Nachmittag bei Ihnen vorbei, aber ich muss zuerst noch auf eine Beerdigung gehen.“
„Gut“, sagte Dr. Garimba, „wir erwarten Sie!“ Natürlich hatte auch er die veränderten Zellen entdeckt, so wie die Ärzte in Kairo. Ich wusste, dass mir eine Behandlung bevorstand, die ich schon lange genug hinausgezögert hatte. Vielleicht musste ich es doch endlich über mich ergehen lassen.
Nach dem Durchsuchen meines Kleiderschrankes, stellte ich entsetzt fest, dass ich kein einziges schwarzes Sommerkleid besaß. Alle Kleidungsstücke waren entweder zu bunt oder zu weit. Es blieb mir nichts anderes übrig, als den schwarzen Trenchcoat überzuziehen, der mich in der heißen Junisonne sicher halb umbringen würde. Frau Koch wartete bereits auf mich, als ich sie mit dem Auto abholte. Sie stieg ein und sah mich an, als wenn sie sagen wollte: Was soll diese Tarnung. Ich hatte eine große schwarze Brille aufgesetzt und ein dunkelgrünes Haarband umgebunden. Niemand würde mich damit erkennen.
Wir kamen am Friedhof an, als sich die Trauergemeinde bereits in der Kapelle versammelt hatten. Deshalb setzten wir uns in die hinterste Stuhlreihe. Vor uns hatten nur etwa zehn Personen Platz genommen. Der Sarg stand in einer kleinen Nische neben dem Altar und war ohne jeden Blumenschmuck. Ich erkannte zwei Bandmitglieder und eine ehemalige Freundin von Iwan, die er mir einmal vorgestellt hatte. Die älteren Herrschaften waren wahrscheinlich Verwandte, die ich nicht kannte. Die Ansprache des Pfarrers war kurz und bündig. Er nannte ein paar Daten aus Iwans Lebenslauf, die mir unbekannt waren und schloss mit den Worten: „Asche zu Asche, Staub zu Staub...“ Niemand weinte, niemand sang ein Lied, das Orgelspiel verstummte und der Sarg wurde hinausgefahren und zur Feuerbestattung in eine Limousine verladen, die bereits wartete.
Frau Koch hatte während der Zeremonie nur geradeaus geschaut, aber als wir wieder im Auto saßen, sprudelte sie los: „Das ist ja kaum zu glauben, wo sind denn alle seine Freunde und die Verwandten geblieben? Da siehst du, wie er es sich mit allen verscherzt hat. Sie hassen ihn bis über den Tod hinaus!“ Ich verstand ihre Entrüstung nicht, schließlich war Iwan zusammen mit mir der letzte Nachkomme der Lassnigs gewesen und wenn schon meine Eltern nicht zur Beerdigung gekommen waren, wer hätte denn sonst kommen sollen. Iwan war nur 28
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