Schwarz wie Samt
hatte es aufgegeben, ihn ständig wegzuschicken. Ich ging ab und zu mit ihm aus, sogar ins Kino oder in ein Konzert. Obwohl ich noch immer um Marek trauerte, hatte ich es aufgegeben, nach ihm zu suchen. Wenn er mich verlassen hatte und zurück zu seiner Familie gegangen war, dann musste ich meinen Traum begraben und ihn aus meinem Gedächtnis verbannen, so schwer es mir fiel.
Meine Eltern setzten ihre Europareise fort, die sie nur wegen des Notartermins unterbrochen hatten. Sie riefen mich immer wieder aus einem anderen Land an. Meine Mutter war so begeistert vom Norden, dass sie am Telefon oft ins Schwärmen geriet: Die Nordlichter hatten es ihr besonders angetan und die unendliche Weite der norwegischen Wälder. Ich konnte es mir dagegen nicht vorstellen, bei nur 13 Grad Celsius, Urlaub zu machen, denn ich sehnte mich zurück nach Kenia. Der Herbst in Berlin war alles andere als schön. Es war windig, kalt und vor allem feucht. Mein kleines Häuschen am Wasser war in dieser Jahreszeit nicht besonders angenehm, die Nebel hüllten es von morgens bis abends, wenn ich wieder aus der Uni heimkam, ein. Ich hatte an der Universität ein paar Leute in meinem Alter kennen gelernt, und wir gingen gelegentlich zusammen aus, doch richtige Freunde hatte ich noch nicht gefunden. Ivan war der Einzige, der regelmäßig zu mir kam, um mir in allen möglichen Dingen zu helfen, er besorgte mir eine neue Antenne und brachte mein Auto durch den TÜV. Er kümmerte sich immer mehr um das Hotel und auch Frau Koch kam in der Zwischenzeit mit ihm klar. Ich hatte mich an seine Anwesenheit gewöhnt und wenn er väterlich den Arm um mich legte und mich fragte, welche Wünsche ich noch hätte, wagte ich es nicht, ihn abzuschütteln.
Meine Eltern waren inzwischen wieder in Kenia, ich hörte per Post von Ihnen. Meine Mutter wusste nicht, dass ich mich immer noch mit Ivan traf. Er hatte seine Wohnung in Dessau aufgegeben und war in die obersten Wohnung im Hotel gezogen. Zunächst gegen Widerstände von Frau Koch. Nachdem er sich aber immer mehr um die Arbeiten rund um das Hotel kümmerte, gab sie nach. Außerdem war es nicht ihre Entscheidung, sondern meine. Ivan stand deshalb täglich vor meiner Türe. Den Schlüssel hatte ich ihm nicht mehr zurückgegeben. Ich musste meinen Eltern mitteilen, dass Ivan ein wichtiger Bestandteil meines Lebens geworden war, obwohl ich wusste, dass meine Mutter das so nicht akzeptieren würde.
Es kam wie es kommen musste. Meine Mutter bestand darauf, dass ich sofort nach Kenia fliegen sollte, da sie einen Abstand zu Ivan für sinnvoll hielt. Das zweite Semester war sowieso zu Ende und ich hätte eine Urlaubsreise antreten können. Warum also nicht nach Kenia?
Ivan fand diese Idee nicht so gut. Er sagte: „Was willst du denn in Kenia bei den Elefanten?“ Er kannte das Land nicht und er verstand auch nicht, dass es für mich ein Stück Heimat war. Mit meiner Mutter würde ich schon klar kommen, sie war in ihrer Umgebung viel besser zu ertragen, als in Berlin. Ich beschloss gegen den Widerstand von Ivan, doch nach Nairobi zu fliegen.
Mein Vater holte mich vom Flughafen ab. Er sah immer noch schlecht aus. Ich fragte ihn: „Weshalb machst du nicht einmal Urlaub?“
Aber er schüttelte nur den Kopf: „Du machst dir keine Vorstellung, was hier los ist“, sagte er resigniert. „Überall brodelt es und wir leben wie auf einem Vulkan.“
So hatte ich mir meine Rückkehr natürlich nicht vorgestellt. Schließlich hatte ich Urlaub und nach dieser Beschreibung würde das bedeuten, dass ich nur im Haus bleiben musste.
Mein Vater schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn er sagte: „Natürlich haben wir eine Safari geplant, damit du auf andere Gedanken kommst.“ Ich sah in fragend an: „Wieso auf andere Gedanken?“ „Na, die Sache mit Ivan spitzt sich langsam zu“, sagte er vieldeutig. „Deine Mutter wird dir darüber mehr sagen können“, fügte er hinzu.
Ich war wirklich gespannt, was es mit dieser „Sache“ auf sich hatte.
Meine Mutter begrüßte mich stürmisch. „Arven, endlich bist du wieder zu Hause. Du hast uns schrecklich gefehlt!“ Ich war auch froh, sie in die Arme schließen zu können. Es war schön, wieder in einer vertrauten Umgebung zu sein, denn in Berlin war ich ganz auf mich gestellt. Eine Freundin hatte ich noch immer nicht gefunden. Seit Inas Tod war jede Frau, die mir näher kam, durch das Raster gefallen. Ich hatte im letzten Jahr begriffen, wie wichtig mir Ina gewesen war,
Weitere Kostenlose Bücher