Schwarz wie Samt
musste und in Kairo wichtige Prüfungen versäumen würde. Und ich konnte hier in aller Ruhe noch meine Zelte abbrechen. Schließlich wollte ich in Kairo nicht Urlaub machen, sondern zwei Jahre studieren und eigentlich hatte ich noch nichts geregelt. Die letzten Wochen mit Salman in Berlin waren wie im Flug vergangen und ich konnte ein paar beschauliche Tage gut vertragen.
Am nächsten Morgen brachte ich Salman zum Flughafen. Er war sehr still und als ich mich von ihm verabschiedete, hielt er mich umklammert wie ein Ertrinkender. Ich glaubte in seinen langen Wimpern eine Träne glitzern zu sehen, als ich ihm nachwinkte, wie er zum Abflugterminal ging. Ich war etwas irritiert, weil er sich noch nie so seltsam verhalten hatte. Er hatte mich nicht einmal mehr geküsst.
Zuhause machte ich mich an die Arbeit. Ich räumte alle Schränke aus und holte mir Papiersäcke. Alles was ich nicht mit nach Kairo nehmen konnte, warf ich in den Müll. Auch alte Bücher von Jacob und Geschirr, das ich nicht leiden konnte. Verschiedene Bilder, die noch von ihm stammten nahm ich ab und steckte sie auch in die Müllsäcke. Ich brachte es allerdings nicht übers Herz, den Schreibtisch zu leeren. Diese persönlichen Sachen packte ich in ein abschließbares Fach und zog den Schlüssel ab. Niemand sollte während meiner Abwesenheit darin herumkramen.
Die Schwäne saßen wieder vor der Terrassentür. Salman hatte sie in den letzten Tagen heimlich gefüttert, obwohl ich ihn gebeten hatte, es zu lassen. Sie waren inzwischen richtig zutraulich geworden und wenn ich die Türe geöffnet hätte, wären sie sogar hereingekommen. Ich ging in die Küche und holte aus dem Brotschrank ein paar Stücke, die ich ihnen hinhielt. Sie fraßen auch mir aus der Hand. Es war immer noch Winter, und obwohl die Spree nicht zugefroren war, saßen sie meistens am Ufer. Sie hatten es anscheinend aufgegeben, selbst nach etwas Fressbarem zu suchen. Ich beschloss, dass es das letzte Mal war, dass ich sie fütterte. Im Gegensatz zu Salman hatte ich kein besonderes Interesse an Tieren.
Meiner Mutter ging es bereits nach der zweiten Spritze etwas besser. Das Fieber hatte nachgelassen und sie saß in ihrem Bett und studierte Ausschreibungen. Sie konnte es nicht lassen und als ich sagte: „Mama, du bist noch nicht gesund, du solltest nicht schon wieder arbeiten!“, erwiderte sie nur: „Ich langweile mich hier fast zu Tode und weiß, dass es so viel zu tun gäbe.“
Frau Koch hatte ich die Anweisung gegeben, keine Telefongespräche, die die Hotels betrafen, durchzustellen, nur mein Vater durfte sie erreichen. Offensichtlich hielt sie sich strikt daran, denn meine Mutter sagte: „Ich verstehe nicht, warum sich Herr Probst vom Oriental nicht meldet und mit mitteilt, wie seine Einstellungsgespräche verlaufen sind. Wir suchen ein paar neue Leute für den Service.“ „Herr Probst wird das auch ohne dich erledigen können“, gab ich ihr zur Antwort. „In ein paar Tagen kannst du selbst wieder nach allem sehen!“ Meine Mutter lehnte sich entspannt zurück.
Sie antwortete: „Ich habe mit Hermann telefoniert und ihm mitgeteilt, dass ich nächste Woche wieder nach Nairobi komme.“ Sie sagte jetzt immer „Hermann“ statt „dein Vater“, was mir jedes Mal einen Stich gab. Für mich war Hermann noch immer mein Vater und er würde es auch bleiben. Auch wenn „Jacob“ mir durch sein Erbe ein sorgenloses Leben verschafft hatte, würde ich ihn nie als meinen wirklichen Vater sehen können. Ich war froh, dass er nicht mehr am Leben war und mir so die Auseinandersetzung mit ihm erspart blieb.
„Und wie hat er darauf reagiert?“ fragte ich sie. „Ich glaube, er freut sich, wenn ich wieder komme. Allerdings hat er mich auch gewarnt. Die Zeiten sind nicht gut in Kenia und der Bürgerkrieg hat auch Nairobi wieder erfasst. Wir werden in der Botschaft praktisch wie in einer Festung leben müssen.“
„Haben wir nicht immer wie 'eingesperrt' gelebt?“ fragte ich sie. Meine Mutter gab mir mit Kopfnicken recht und sagte dann: „Als Gattin eines Botschafters hat man keine Rechte, man gehört zum Personal.“
Wir wussten beide, das das nicht stimmte. Meine Mutter hatte sich ihre Freiheiten immer genommen und auch die Besuche in München oder Berlin, die sie jedes Jahr mehrmals unternahm, waren nur durch die Großzügigkeit meines Vaters möglich gewesen. Ich war froh, dass sie sich für eine Rückkehr entschieden hatte. Vielleicht würden die beiden sich wieder aussöhnen.
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