Schwarz
ihm Kati und er einander vertraut genug. »Was ist mit deiner Tochter passiert?«
»Ich kann das jetzt nicht … Wir reden ein andermal darüber. Entschuldige.«
Kara war nicht überrascht. »Ich kann das gut verstehen.« Er empfand nun noch mehr Sympathie für Kati Soisalo.
Sie wechselte das Thema. »Wie sollen wir jetzt weitermachen?«
Kara musste nicht lange überlegen. »Wir brauchen Ukkolas Informationen,konzentriere du dich darauf, sie zu beschaffen. Ich versuche auf anderem Wege, an Sibirtek und Hofman heranzukommen. Morgen treffe ich Pertti Forslund noch einmal, diesmal in seiner Villa in Kulosaari.«
***
Auf der Wäinönkuja am nördlichen Ende von Kulosaari stand ein Mietwagen, darin saß ein Mann, der einen grünen Schutzanzug aus dreischichtigem Polyäthylen mit einer Kapuze trug. Sein Gesicht verdeckten ein Atemschutz und eine Brille, und die Handschuhe aus nitrilbeschichteter Dyneema-Faser eigneten sich ausgezeichnet für die Handhabung von spitzen und glatten Gegenständen. Die mit Gummiband versehenen Ärmelenden und Hosenbeine des Schutzanzugs waren sicherheitshalber mit Klebeband an den Handschuhen und Gummistiefeln befestigt. Er war bereit. Es ging ihm nicht nur darum, bei dem Mord, den er vorhatte, nicht gefasst zu werden; denn diesmal würde überhaupt niemand erfahren, dass es sich um ein Verbrechen handelte. Ein perfekter Mord war etwas ganz anderes als ein nicht aufgeklärter Mord. Er nahm seinen Beruf sehr ernst.
Einen perfekten Mord konnte man auf verschiedene Weise begehen. Die Beseitigung der Leiche war eine effektive Methode, aber schwieriger umzusetzen, als man vermuten würde. Nach seinen Erfahrungen funktionierte nur das Auflösen der Leiche in Säure sicher genug. Vom Verstecken der Leiche hielt er nicht viel: Die Geschichte des Verbrechens kannte zu viele Fälle, in denen ein verirrtes Tier, ein Kind, ein Bauer, ein Taucher oder Wanderer durch eine Laune des Zufalls ungewollt selbst auf die genialsten Verstecke gestoßen waren. Die Verwendung von Arzneimitteln wie Insulin, dem Malariamedikament Chloroquin, Morphin oder Kaliumchlorid, die bei den gerichtsmedizinischen Untersuchungen schwer nachzuweisen waren, beinhaltete ebenfalls ein hohes Risiko: Ein kompetenter Pathologe kam dem Mord möglicherweise auf die Spur.
Am üblichsten war es in seiner Zunft, einen Mord als Unfall zu tarnen, oder wie die Profis sagten, zu maskieren: Das Erschießen sollte so aussehen, als hätte das Opfer den Schuss versehentlichselbst ausgelöst, ein gebrochenes Genick, als wäre jemand die Treppe hinuntergestürzt, eine Schädelverletzung, als wäre jemand ausgerutscht, oder das Ertränken, als wäre jemand ertrunken.
Doch eine Mordart hielt der Mann für unübertrefflich – das Verbrennen. Wenn die Flammen in Ruhe lange genug lodern konnten, vernichteten sie wirkungsvoll alle vom Mörder hinterlassenen Spuren. Und wenn alles auf den Punkt genau klappte, starb das Opfer tatsächlich durch das Kohlenmonoxid und die Flammen, und vom Mord blieb nicht der geringste Beweis übrig. Genau so ein Fall würde das hier werden.
Es war kurz vor neun Uhr morgens, unbegreiflich, dass das Opfer in seinem Alter die ganze Nacht durchgemacht hatte. Mit den drahtlosen Mikrokameras, die er gestern im Haus versteckt hatte, beobachtete er die Zielperson schon seit Stunden. Jetzt schien sie endlich eingeschlafen zu sein. Der Mann stieg aus, ging zur Hintertür der Villa und öffnete sie mit einem elektronischen Dietrich. Er war schon zweimal in der Wohnung gewesen und kannte den Weg in die erste Etage.
Unter der Schlafzimmertür schimmerte Licht, er blieb auf dem Flur stehen, als er jemanden englisch sprechen hörte. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt, spähte kurz hinein, und die kleine Anspannung, die er empfunden hatte, legte sich. Dieses Opfer machte ihm die Arbeit allzu leicht. Die Zielperson schlief mit einem Buch auf dem Schoß im Sessel, auf dem Tisch stand eine leere Rotweinflasche, und im Fernsehen dröhnte der Nachrichtenkanal BBC World News. Der Mann stellte einen Stuhl in die Mitte des Raums, stieg darauf und entfernte aus dem Rauchmelder sowohl die Batterie als auch die Mikrokamera, die er an dem Gerät festgeklebt hatte. Durch die Schlafzimmerfenster schaute man aufs Meer, es würde seine Zeit dauern, bis man den Brand bemerkte.
Der Mann kehrte ins Untergeschoss zurück, betrat das Arbeitszimmer des Opfers und schaltete eine LED-Taschenlampe ein. Der an der hinteren Wand des eingebauten
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