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Schwarz

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Titel: Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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loszuwerden und bei den Ermittlungen zu Sibirtek weiterzukommen: Sie musste eine neue Straftat begehen, die bedeutend gefährlicher war als der Dateneinbruch. Und das gleich am nächsten Morgen.
    ***
    Oberst Abu Baabas trat von der rostigen Fähre auf die Insel Tuti, die am
Al-Mogran
, dem Zusammenfluss von Weißem und Blauem Nil, entstanden war, und erwiderte den Gruß der Männer vom Stamm der Mahas, die hier am Ufer Wache hielten. Die blühende, von Hecken, Zitrushainen und Gärten geschmückte grüne Insel zwischen den Millionenstädten Omdurman und Khartoum interessierte Baabas nicht im mindesten. Rashid Osman wollte ihn hier insgeheim treffen, und das bedeutete nichts Gutes. Hatte der Friedensstifter Osman vor, sich seiner zu entledigen, war die Gnadenfrist für die Aufklärung der Morde an Ewan Taylor und dem Witwenmacher schon abgelaufen?
    Osman stand, wie am Telefon vereinbart, im Schatten einer Akazie auf dem Hof der alten Moschee. Die Männer gaben sich die Hand und begrüßten einander. Baabas hätte den Vizepräsidenten, der heute westliche Kleidung trug, fast nicht erkannt, seine Augen wurden von einer großen Sonnenbrille verdeckt.
    »Du wunderst dich bestimmt, warum ich mich gerade hier mit dir treffen wollte«, sagte Osman, und Baabas nickte.
    »Ich brauche deine Hilfe«, erklärte der Vizepräsident.
    Baabas verstand nicht. »Du bist es doch, der für die Sicherheit des Staates verantwortlich ist. Du kannst dem Leiter von
Al-amn al-ijabi
oder mir den Befehl erteilen, fast alles zu tun, was du willst.«
    Osman legte Baabas die Hand auf die Schulter und führte ihn zum Stand eines Mannes, der Apfelsinen verkaufte. »Ich brauche jemanden in El Obeid, der dort die Arbeit von
Al-amn al-ijabi
leitet. Jemanden, der absolut zuverlässig ist. Du würdest all deine hiesigen Verpflichtungen aufgeben und wärest künftig für die Aufklärung in der ganzen Region Kordofan verantwortlich.«
    »Das ist der Todeskuss«, dachte Baabas. El Obeid war ein armseliges Kaff, alle für den Sudan wichtigen Beschlüsse wurden in Khartoum gefasst. Seine Vermutung war richtig gewesen, Osman wollte ihn abschieben, weil sich die Mordermittlungen hinzogen.
    »So ein Amt ist leider nicht gerade eine Beförderung.«
    Osman nahm am Stand des Obsthändlers zwei Apfelsinen und gab eine davon Baabas. »Du musst mir vertrauen. In der nächsten Zeit werden … große Umwälzungen passieren, dann ist es enorm wichtig, dass Khartoum in jeder Hinsicht die Kontrolle über die verschiedenen Regionen des Sudan behält. Deine Loyalität wird freigiebiger belohnt werden, als du ahnst.«
    Baabas versuchte seine Wut im Zaum zu halten. Womit hatte er das verdient? Ohne es zu wollen, wurde er in dem Machtkampf, der im Sudan stattfand, auf die falsche Seite getrieben, ins Lager der westlich orientierten akademischen Friedensfreunde und Eierköpfe. Soweit er wusste, hatten solche Leute noch nie einen Machtkampf gewonnen. Jedenfalls nicht im Sudan.
    »Ich werde mein Bestes tun«, sagte Baabas und hörte sich den Dank Osmans an, während sie zurück zum Fährufer gingen.
     
    Rashid Osman ließ Oberst Baabas neben einem bedächtig kauenden Kamel am Sandufer zurück, wo er auf die öffentliche Fähre warten musste. Der Vizepräsident stieg in das Schnellboot des Innenministeriums. Das Treffen war genau nach Plan verlaufen. In El Obeid wäre Baabas aus dem Visier, niemand durfte etwas von seiner eigenen Beteiligung an der monatlichen Großlieferung von Sklaven, die der Oberst besorgte, und von den Einzelheiten der Ermittlungen zu den Morden an dem UN-Mitarbeiter und am Witwenmacher erfahren. Noch nicht.

23
    Mittwoch, 6. Mai – Donnerstag, 7. Mai
    Nachdem Betha Gilmartin Tee gekocht hatte, ließ sie die Katze Violet in den Garten, stellte den geblümten Keramikbecher auf den Teetisch, legte den Nazir-Bericht daneben und ließ sich aufs Sofa fallen. Sie nahm die Haarspangen heraus, schüttelte den Kopf, so dass ihr rotes Haar offen herabfiel, und lockerte dann mit einem genüsslichen Stöhnen ihr Stützkorsett. Allmählich kam ihr das Teil vor wie ein Folterinstrument.
    Es war erst kurz vor sieben Uhr abends, so früh kam sie höchst selten von der Arbeit nach Hause. Der Klempner hatte versprochen, um diese Zeit den Wasserhahn in der Küche zu reparieren, der schon seit Monaten streikte. Albert hatte sein Antiquariat in der Charing Cross Road nur einmal in der Woche bis neunzehn Uhr geöffnet, und das immer mittwochs. Heute käme er also genau um acht Uhr

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