Schwarz
Obergeschoss hinauf.
Das Arbeitszimmer sah unverändert aus: ein großer Schreibtisch, der Laptop, dazu Drucker und Scanner, zwei Bücherregale und ein schäbiger Sessel. In dem Raum befand sich kein einziges Bild, kein dekorativer Gegenstand oder irgendetwas anderes, was für Gemütlichkeit sorgen könnte. Nicht einmal ein Foto von Vilma. Jukka Ukkola war garantiert nicht normal, wie konnte jemand in sich die Erinnerung an sein Kind auslöschen?
Kati Soisalo ging sorgfältig alle Bücher Ukkolas durch: uralte Lehrbücher aus der Universitätszeit, Veröffentlichungen der Polizeifachhochschule, abgegriffene Krimis aus Antiquariaten und ein paar russische Klassiker, die er sich nach ihrem Auszug angeschafft hatte, garantiert, um vor seinen Besucherinnen den Gebildeten zu spielen. Sie blätterte alle nummerierten KRP-Ordner durch, fand aber nur Artikel über die Polizeiarbeit und Material von Weiterbildungsveranstaltungen und Kursen. Die Ordner »Haus«, »Auto« und »Versicherung« enthielten nur Unterlagen, die ihren Aufschriften entsprachen. Nun blieben nur die Ordner übrig, auf die Ukkola »Steuer« geschrieben hatte. Widerwillig griff Soisalo nach den Steuerunterlagen des letzten Jahres.
Dienstreisen, freiwillige Rentenversicherung, der Abzug für dasArbeitszimmer, die Kreditzinsen … Nichts, was in Richtung Sibirtek weisen würde. Sie nahm den Ordner vom vergangenen Jahr und blätterte jedes Dokument einzeln um, bis etwas sie stutzig werden ließ. Sie blätterte zurück und machte eine freudige Entdeckung: die Quittung für das Mieten eines Kleinbusses mit einer handschriftlichen Eintragung am rechten oberen Rand: »Nordesplanadi – PGW«. Dieselbe Abkürzung wie in der E-Mail an Ukkola, mit der jemand das Treffen abgesagt hatte. Sie blätterte sofort alle von Ukkola archivierten Dienstreisebelege der letzten fünf Jahre durch und fand drei weitere Taxiquittungen, auf denen PGW erwähnt wurde. Das musste der Name eines Unternehmens oder eines Ortes sein. Vielleicht fand Jonny heraus, was die Abkürzung bedeutete.
Mehr Interessantes entdeckte sie in den Steuerunterlagen nicht. Sie überprüfte noch die Schränke im ganzen Haus für den Fall, dass Ukkola nach ihrem Auszug ein neues Versteck eingefallen war. Besonders schwer fiel es ihr, das Schlafzimmer zu betreten, hier hatte Vilmas Bett in ihren ersten Lebensjahren seinen Platz gehabt.
Ukkolas kleiner Safe, ein Kaso E2–410, stand noch an derselben Stelle wie früher, im Kartoffelkeller. Kati Soisalo kannte die vierstellige Kombination des elektronischen Tastenschlosses nicht, aber ihr blieb genug Zeit, sie herauszufinden. In ihrer Tasche steckte ein Zettel, auf den sie alle wichtigen Daten in Ukkolas Leben gekritzelt hatte, sie bereitete sich immer sorgfältig vor. Sie trat auf dem kalten, blanken Betonfußboden an den Safe, beugte sich über das Schloss und begann mit den wichtigsten Daten des narzisstischen Mannes: Geburtstag, Abschluss an der Uni, Ernennung zum Chef der Hauptabteilung der KRP … Sie probierte es sowohl mit den Jahreszahlen, der Kombination von Tag und Monat als auch mit den Ziffern für den Monat und den letzten beiden der Jahreszahl. Das Schloss blieb zu. Dann versuchte sie es mit allen Passwörtern, die sich auf Ukkolas Computern fanden, und war schwer enttäuscht, als es nicht einmal mit dem PIN-Code der Kreditkarte klappte. Schließlich steckte sie den Zettel ein und setzte sich auf den kalten Fußboden, um nachzudenken.
Die Kombination des Safes war höchstwahrscheinlich die wichtigste Zahlenreihe, die Ukkola sich merken musste. Welche Zahlenfolgewürde er nie vergessen? Sie hatte schon alle denkbaren Ziffernkombinationen probiert, die mit Ukkola selbst in Zusammenhang standen … Die Antwort kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel und erschien ihr sofort sonnenklar. Welches Ereignis war das wichtigste in seinem Leben? Der siebte Juni, der Tag, an dem sie und Vilma bei ihm ausgezogen, weggelaufen waren. Die größte Demütigung in Jukka Ukkolas Leben.
Kati Soisalo tippte die Ziffern 0–7–0–6 in das Schloss ein, man hörte ein Knacken im Tresor, und sie zog die Tür auf. Eine Reihe Hängeordner, das war alles. Doch die Enttäuschung verwandelte sich sofort in Freude, als sie die Aufschriften auf den Ordnern las: Kabinett, Sibirtek, Waffengeschäfte, Finanzierung, Banken … Kara und sie hatten genau den richtigen Verdacht gehabt: Jukka Ukkola war voll in die illegalen Handlungen von Sibirtek und der finnischen
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