die Druckschliffherstellung des Betriebs in Voikkaa gemietet hat. Druckschliff heißt auf Englisch
pressure groundwood
, die Abkürzung lautet PGW. Die E-Mail-Adresse
[email protected] kann man also auch in der folgenden Form lesen: ›Versammlungen at Druckschliff‹, das heißt, die Versammlungen finden im Gebäude für die Druckschliffherstellung statt.«
Kati Soisalo schaute Paranoid voller Respekt an.
24
Freitag, 8. Mai
Leo Kara befand sich in einer Art Dämmerzustand: Er lag wach und doch in tiefem Schlaf. Alpträume plagten ihn zum Glück nicht. Er betrachtete seine Umgebung wie ein Theaterstück, die Stimmung auf der Bühne war ruhig und gelassen, die Akteure bewegten sich eigenartig, ganz geruhsam, wie in Zeitlupe. Als er die Augen das nächste Mal öffnete, sah er etliche Weißkittel, die neugierig aus höheren Sphären auf ihn herabschauten wie die Propheten der Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle. Dann erschien das Profil des grüngekleideten Killers aus der Villa des Witwenmachers und dem Hotelzimmer im »Vaakuna« auf seiner Netzhaut, und er schloss die Augen.
»Guten Morgen. Sie befinden sich auf der Intensivstation des Krankenhauses in Töölö, und ich bin Stationsärztin Ilona Ilvonen. Es sieht so aus, als würden Sie endlich richtig aufwachen. Sie schweben schon lange im Grenzbereich zwischen Schlaf und Wachsein. Das ist allerdings kein Wunder, wenn man bedenkt, was für eine Menge Diazepam und Benzodiazepin in Ihrem Körper gefunden wurde. Neben dem Alkohol und dem Natriumvalproat. Sie verstehen mich doch?«, sagte die Ärztin, eine Frau mit vollen Lippen, die am Fußende von Karas Krankenbett stand.
Kara nickte und spürte dabei Schmerzen im Genick. Wie lange lag er schon hier? Allmählich tropfte eine Erinnerung nach der anderen in sein Bewusstsein. Die Spritze, die ihm an der Tür des Hotelzimmers in den Nacken gestochen wird … der Mann im grünen Schutzanzug … die Tabletten! Der Killer stopft sie ihm mit Gewalt in den Mund … um ein Haar wäre er daran erstickt … Dann flößt der Mann ihm Aquavit ein, Schnaps fließt auf den Fußboden … Die Spritze und die Tabletten hatten ihn gelähmt. Das war nicht verwunderlich,denn das Benzodiazepin in den Schlafmitteln bewirkte, dass der Mensch widerspruchslos Befehlen gehorchte, mancherorts in der Welt setzte man das Mittel bei Verhören ein, um den Willen der Gefangenen zu brechen. Wieder hatte er ganz kurz ein Stück vom Gesicht des Mannes im grünen Anzug gesehen – diesmal die Augen. In seinem Unterbewusstsein drängte etwas aus den Tiefen des Gedächtnisses hervor …
»Sie verstehen doch, was ich sage?«, fragte die Ärztin bedächtig und testete mit einer Taschenlampe, ob die Pupillen des Patienten auf das Licht reagierten. Kara schreckte aus seinen Gedankengängen auf.
»Was für ein Tag ist heute?«
»Freitag, der 8. Mai. Ins Krankenhaus eingeliefert wurden Sie vorgestern. Sie haben jede Menge Glück gehabt, das können Sie mir glauben. Das Zimmermädchen im Hotel hat Sie gefunden, kurz nachdem Sie die Pillen genommen hatten. Einen großen Teil der Medikamente haben Sie erbrochen. Die Notärztin konnte Ihnen Flumazenil geben, das Gegenmittel für die Medikamente, die Sie genommen hatten. Und Sie sind rechtzeitig zur Magenspülung hierher nach Töölö gekommen. Hätte auch nur einer dieser vier Faktoren gefehlt, würden Sie jetzt nicht … Dann wäre ihr Selbstmordversuch gelungen.«
Dass er in Kati Soisalos Wohnung eingeschlafen war, hatte ihm das Leben gerettet, begriff Kara. Wäre er schon nachts ins Hotel gekommen, hätten die Medikamente stundenlang wirken können, bevor er gefunden worden wäre. Erstaunlicherweise tat es gut, am Leben zu sein.
»Ich muss mich nun wieder um meine anderen Patienten kümmern. Sie können mit dem Krankenhauspsychologen reden, sobald Sie es möchten. Und ich habe zugesagt, die KRP zu informieren, wenn Sie imstande sind, mit denen zu sprechen. Vor diesen Gesprächen dürfen Sie das Krankenhaus nicht verlassen. In ein paar Stunden schauen wir uns noch einmal an, wie die Lage ist.« Die Stationsärztin winkte ihm zu und wandte sich schon zur Tür, als ihr noch etwas einfiel.
»Sie haben übrigens Besuch, eine Frau wartet schon seit Stunden darauf, dass Sie aufwachen. Soll ich sie hereinlassen?«
Kara nickte, und die Ärztin verschwand, noch bevor er fragen konnte, wer der Gast war. Das klärte sich jedoch schnell, als eine Krankenschwester mit einem Tablett das Zimmer betrat,