Schwarz
fiel ihm schwer, und das Blut staute sich in seinem Kopf; das Gestell war mit Absicht schräg, damit die Beine höher lagen.
Osman versuchte sich auf das einzustellen, was nun kam. Er wusste, dass Mitarbeiter des CIA das »Waterboarding« im Durchschnitt vierzehn Sekunden aushielten, bis sie aufgaben. Und die nächste Rakete würde erst in vierzehn Stunden starten.
Er hörte, wie der Wasserhahn aufgedreht wurde.
34
Sonntag, 10. Mai
Der umwickelte Knöchel schmerzte, als Leo Kara auf dem Rücken eines Esels den in Dunkelheit gehüllten Sandpfad entlangschaukelte. Kafi war es gelungen, im Flüchtlingslager ein ausgehungertes, einohriges »Balkanmoped« und eine Taschenlampe auszuleihen, deren Batterien allerdings zusehends schwächer wurden. Zum Glück kannte Kafi den Weg, er musste die Lampe nicht ständig brennen lassen. Es war schon kurz vor neun Uhr abends, sie kamen nur langsam voran, aber Kara hatte nicht die Absicht, sich zu beklagen. Er war der Drahtschlinge, Baabas und einem ganzen Hyänenclan entkommen, hatte sich mit Wasser vollgetrunken und auch etwas gegessen. Zwar fühlte er sich schwach und hungrig, und die schmerzhafte Wunde müsste desinfiziert und verbunden werden, aber die Zeit, zu essen, zu trinken und sich auszuruhen, käme erst dann, wenn er seine Arbeit zu Ende gebracht hatte. Zunächst musste er sich das Fabrikgebäude von Sibirtek anschauen, danach würde er auf den Flughafen von El Obeid zurückkehren und sich von UN-Mitarbeitern sein Bein versorgen lassen. Er bereute schon, dass er überhaupt in den Sudan geflogen war. Alles bereute er.
Ein von Flöhen zerbissener Mischlingsköter trottete in den Lichtkegel der Taschenlampe, und Kara fiel etwas ein. »Vor zwei Wochen, als ich das erste Mal in eurem Lager war, habe ich zufällig etwas Merkwürdiges beobachtet«, sagte er zu Kafi. Der Junge zog die Brauen hoch.
»Es sah so aus, als ob eine Frau und ein Hund zusammen essen würden. Sie saßen nebeneinander in einer Hütte und benutzten denselben Teller, ich glaube, sie tranken auch aus demselben Gefäß.«
Kafi überlegte kurz und lachte dann. »Sie gehört bestimmt zum Lodara-Clan des Stammes der Bari, die halten Hunde für ihre Brüder.Die Frau hatte wahrscheinlich gerade ein Kind bekommen und hat deshalb mit dem Hund zusammen gegessen. Damit soll bewiesen werden, dass ihr Baby vom Ehemann stammt. Wenn das Kind von jemand anders ist, dann stirbt es, kurz nachdem die Mutter ihre Mahlzeit mit dem Hund eingenommen hat. Auch wenn die Mutter sich weigert, mit dem Hund zusammen zu essen, weiß die Sippe, dass dieses Kind nicht vom Ehemann ist.«
Plötzlich zeigte Kafi nach vorn. »Dort ist es schon.« Das hell beleuchtete, weiß gestrichene Betongebäude sah genauso aus wie Industrieanlagen überall sonst in der Welt. Auf dem Hof standen russische ZIL-Allrad-LKW, und vor dem Gebäude liefen Dutzende Sudanesen umher, sie schienen in Aufruhr zu sein.
Kafi redete kurz mit einem großen, gerade gewachsenen Schwarzen und kehrte dann zurück, um Kara zu erzählen, was er in Erfahrung gebracht hatte. »Das sind Arbeiter der Fabrik. Die wurde angeblich gestern ohne jede Erklärung dichtgemacht. Es sind Hunderte Leute, die nichts haben, wo sie hingehen könnten, sie sind hungrig und versuchen jemanden zu finden, der weiß, was hier los ist.«
»Das geht mir auch so«, bemerkte Kara und saß vom Esel ab. Er verlagerte das Gewicht vorsichtig auf das schmerzende Bein und stellte fest, dass er aus eigener Kraft zum Haupteingang des Fabrikgebäudes humpeln konnte. Gerade als er an der Klinke ziehen wollte, flog die Tür auf, und ein Mann von gewaltiger Größe, ein Weißer, packte ihn am Arm und zerrte ihn hinein. Dann schloss er die Tür sofort wieder und scherte sich nicht darum, was Kafi und die ratlosen Arbeiter ihm hinterherriefen.
»Ich bin Viktor Hofman. Ich habe schon auf dich gewartet«, sagte der bärtige Hüne und trat aus dem Windfang in die Fabrikhalle, in der man überall Maschinen und Geräte sah.
Jede Menge Fragen schwirrten Kara durch den Kopf. Stand da der Führer von Sibirtek vor ihm? Steckte dieser Mann hinter allem: den Raketengeschäften, dem Anschlag von Kenia, dem Erpressungsplan und dem Tod von Ewan, Mettälä, Forslund und Kraus? Was hatte Hofman mit ihm vor? Am liebsten hätte er den Mörder von Ewan gleich niedergeschlagen.
Hofman bewegte sich wegen seiner Größe fast genauso schwerfälligwie der angeschlagene Kara. Sie kamen in ein kleines Büro mit gläsernen Wänden.
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