Schwarz
hatte. Bis dorthin war es nur ein Kilometer. Die Schüsse kamen vom Hof hinter dem Haus, durch die vordere Tür könnte sie es noch schaffen zu fliehen …
Kati Soisalo öffnete die Haustür, stürmte die Treppen hinunter auf die Straße und rannte schneller als je zuvor. Hundert Meter, abbiegen auf die Querstraße und noch schneller … Ihr versagte der Atem, die Muskeln schmerzten, sie warf einen Blick über die Schulter und sah nur einen kleinen Jungen mit einem Skateboard. Sie würde es schaffen.
Keuchend blieb Kati Soisalo an der Ampel der Blaauwberg Road stehen, das Polizeischild auf der anderen Straßenseite im Blick, es war nur knapp hundert Meter entfernt. Der Verkehrsstrom rauschte mit hoher Geschwindigkeit vorbei, ohne dass sich eine Lücke bot, sie konnte die Straße nicht überqueren. Als die Autos endlich ihr Tempo verlangsamten, rannte Kati Soisalo los, noch bevor die Ampel auf grün wechselte. Fünfzig Meter, dreißig Meter, die Tür der Polizeistation war nur noch zehn Meter entfernt. Da leuchtete ein roter Punkt auf der Hauswand …
Kati Soisalo warf sich zu Boden und spürte, wie der Asphalt ihrenackten Arme zerkratzte. Sie hörte jemanden reden, hob den Kopf und sah vor der Tür eine Gruppe von heftig diskutierenden Polizeibeamten. Sie stand auf, lief mit großen Schritten weiter, bis sie hinter den Polizisten Deckung fand. Sie war in Sicherheit.
***
Als die Königliche Flotte Englands 1588 die
Armada Invencible
Spaniens besiegte, segelte ihr Flaggschiff unter dem Namen »Ark Royal«. Die britische Navy, die Tradition in Ehren hielt, übertrug den Namen im 20. Jahrhundert auf ihre Flugzeugträger. Seither waren die Schiffe mit dem Namen Ark Royal bei vielen Kriegshandlungen dabei gewesen, von der Dardanellenschlacht im Ersten Weltkrieg bis zur Versenkung der »Bismarck«, des Flaggschiffs der Flotte des nationalsozialistischen Deutschland, im Jahre 1941. Nun lag die fünfte »Ark Royal«, das jetzige Flaggschiff der Royal Navy, ein zweihundertzehn Meter langer Flugzeugträger, vor der Küste von Djibouti im Golf von Aden.
Rashid Osman öffnete die Augen und richtete sich auf. Wie lange hatte er bewusstlos auf dieser Pritsche gelegen? Von draußen drangen ein gleichmäßiges Surren und das Knattern eines Hubschraubers in die fensterlose, wenige Quadratmeter große Zelle. Er erinnerte sich, wie sein Hubschrauber kurz nach ihrem Abflug vom Zelt Gaddafis von britischen Harrier-Jagdflugzeugen zur Landung in der Wüste gezwungen worden war. Man hatte ihm irgendetwas in den Arm gespritzt und ihn in einen britischen Helikopter getragen. Dann hatte er das Bewusstsein verloren. Wo zum Teufel befand er sich jetzt?
Osman schaute auf seine Uhr – 20:45 Uhr sudanesischer Zeit. Die Rakete würde in etwa vierzehn Stunden gestartet werden. Eingesperrt zu sein war nicht Rashid Osmans größte Sorge, man würde ihn schon bald freilassen, sobald der Westen nach dem Erfolg der Anschläge klein beigeben und auf ihre Forderungen eingehen musste. Ihm bereitete etwas anderes viel mehr Sorgen: Er fürchtete, nicht miterleben zu können, wie der UN-Generalsekretär explodieren und in Atome zerlegt werden würde.
Osman stand auf und schlug mit der Faust an die Zellentür. Erhämmerte rhythmisch auf das Metall, bis er Schritte hörte. Dann ging die Tür auf.
»Wo bin ich?«
»In der Arrestzelle auf dem dritten Deck des Flugzeugträgers ›Ark Royal‹«, antwortete der junge Unterleutnant und befestigte Handschellen an Osmans Handgelenken. »Folgen Sie mir.«
Es dauerte nur ein paar Sekunden, Osman wurde ans Ende des Zellenbereichs geführt, in einen Raum, in dessen Mitte ein Metallgestell mit Bolzen am Boden befestigt war. Er wusste, wofür so etwas verwendet wurde. Machte man einen Scherz auf seine Kosten? Immerhin war er der Vizepräsident des Sudan und nicht irgendein Dieb vom Basar. Und das war ein Kriegsschiff der Königlichen Flotte, die Briten hielten ihr Land doch für einen zivilisierten Staat.
Im selben Augenblick betraten zwei breitschultrige Soldaten die Zelle. »Ziehen Sie sich bitte aus.«
Der Hass loderte in Osman hoch. »Holen Sie den Kapitän des Schiffs her, ich …«, konnte er noch sagen, bevor einer der Männer von hinten seine Arme packte und der andere ihm unsanft die Kleider vom Leibe riss. Innerhalb einer knappen Minute war Osman nackt.
Man drückte ihn auf das Metallgestell, die Fuß- und Handgelenke wurden mit Lederriemen festgebunden und der Kopf in Zellophan gewickelt. Das Atmen
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