Schwarz
nicht ernsthaft annehmen, dass ein Mitglied des ›Kabinetts‹ über Sibirtek und mich reden würde.«
»Wer hat sie alle getötet: Ewan Taylor, Mettälä, Forslund, Kraus? Derselbe Mann, der mich gezwungen hat, eine Überdosis meiner Medikamente zu schlucken?«
»Manas, er ist ein interessantes … Individuum«, sagte Hofman und wiegte den Kopf hin und her. »Man fand ihn als fünfjährigen Knirps auf den Treppen der sowjetischen Militärakademie in der Stadt Kant, etwa zwanzig Kilometer von der kirgisischen Hauptstadt Bischkek entfernt. Das war Anfang der siebziger Jahre. Irgendwie betrachteten die Mitarbeiter der Akademie den Jungen als ihr Maskottchen, vermutlich deshalb, weil sich herausstellte, dass es sich um einen höchst eigenartigen Fall handelte. Er war außergewöhnlich intelligent und vollkommen gefühllos.«
»Von Kant wurde der Junge schließlich nach Iwanowo, das liegt dreihundert Kilometer nordöstlich von Moskau, auf eine Spezialschule der Kommunistischen Partei geschickt. Dort erzog man die Schüler so, dass sie noch brutaler und hinterhältiger wurden als in den Schulen des KGB und des GRU. Die Kommunistische Partei hielt die Existenz der Internationalen Schule »E. D. Stasowa« streng geheim. Die Zöglinge kannten nicht einmal die richtigen Namen ihrer Mitschüler, die Schule gab ihnen Rufnamen. Manas bekam seinen Namen nach dem Helden des kirgisischen Nationalepos. Nach Abschluss der Ausbildung traten viele Absolventen der Stasowa-Schule in den Dienst des GRU oder des KGB, so auch Manas. Dort wurde er für Spezialeinsätze vorbereitet, du würdest sagen, einer Gehirnwäsche unterzogen.«
»Er ist also ein vom KGB ausgebildeter Killer?«
»Manas ist viel mehr als nur ein Killer. Die Leute von der wissenschaftlichen Abteilung des SVR haben sich seinerzeit sehr für ihn interessiert. Manas leidet unter einer Alexithymie. Sein Gehirn erkennt Reize, die Gefühle auslösen, kann sie aber nicht interpretieren.Und nach den Tests, die der SVR durchgeführt hat, ist sein Locus caeruleus, der ›himmelblaue Ort im Gehirn‹, beschädigt, er ist nicht fähig, Angst oder Befürchtungen zu empfinden. Manas eignet sich perfekt als Killer, er kann nichts fühlen. Die Wissenschaftler wissen nicht, ob das genetisch bedingt ist oder ob es an Erlebnissen in seiner frühen Kindheit, an der Gehirnwäsche auf der Stasowa-Schule und beim KGB oder an all dem zusammen liegt. Manas nimmt seine Arbeit sehr ernst, er kennt sich auf seinem Gebiet bestens aus und lernt ständig dazu. Aber auch er begeht Fehler, wie die Tatsache beweist, dass du noch am Leben bist. Manas kehrt übrigens bald aus Südafrika zurück, wo er einen Auftrag ausgeführt hat, du ahnst vermutlich, welchen. Um ein Haar wäre er nicht rechtzeitig von Finnland nach Kapstadt gekommen.«
Hoffentlich war Kati Soisalo wohlauf, konnte Kara gerade noch denken, da redete Hofman schon weiter.
»Doch nun bin ich wohl von der Hauptsache abgekommen.« Hofman goss sich ein wenig Becherovka in sein Glas.
»Warum sitzen wir beide jetzt hier, was ist schiefgelaufen?«, fragte er. »Akut wurden unsere Probleme nach dem Anschlag auf Gigiri in Kenia, als wir erfuhren, wofür man die Raketen einsetzen wollte. Wir haben unser Möglichstes getan, Osman dazu zu bringen, von seinem Plan Abstand zu nehmen, aber das war vergeblich. Er behauptete, es seien schon zu viele Staaten beteiligt, die Sache liege nicht mehr in seiner Hand. Wir haben beschlossen, Osmans Plan vor der Welt offenzulegen, aber erst mussten wir die Beweise in Finnland und hier im Sudan beseitigen. Das ist jetzt geschehen. Nun ist es an der Zeit, die neuen Raketenanschläge zu verhindern«, sagte Hofman und stand auf, er ging zu einem Tresor an der Wand und drückte die Tasten des Kombinationsschlosses.
Dem Safe entnahm er einen dicken Briefumschlag, zog ein Blatt Papier heraus und legte es vor Kara auf den Tisch. »Wir haben den Sudanesen nicht gesagt, dass in jeder Rakete ein Sender installiert ist. Deshalb kennen wir den Standort der Raketen ganz genau, es bleibt noch genug Zeit, die Anschläge zu verhindern.«
»Warum wird mir die Ehre zuteil, das alles zu erfahren?«, fragte Kara besorgt.
»Ich weiß nicht. Der Befehl kam von oben, anscheinend mag dich jemand in unserer Organisation. Du bekommst auch die Beweise dafür, dass du den Witwenmacher nicht umgebracht hast.«
Kara war noch dabei, Hofmans Enthüllungen zu verdauen, als ihm Katarina Kraus’ letzte Worte in der Papierfabrik einfielen:
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