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Schwarz

Schwarz

Titel: Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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schob Kara sein Glas hin. »Ich bin nur ein Wissenschaftler. Auch wenn ich die Verantwortung für ein ziemlich umfangreiches Forschungsprojekt trage. Und die Menschenversuche hängen in keiner Weise mit den Raketen zusammen, sondern mit einer … größeren, komplexen Sache.«
    »Warum habt ihr das getan? Wer steckt hinter all dem, wenn es nicht Sibirtek ist?«
    Hofmans Miene wurde ernst. »Hinter allem steht Mundus Novus. Ich kann dir den Namen nennen, weil er dir nichts sagt.«
    »Mundus Novus – die Neue Welt«, murmelte Kara.
    Plötzlich griff Hofman nach der Pistole, sein ganzer Körper wirkte angespannt. »Man hat mir befohlen, dir die folgende Nachricht zu übermitteln: Du weißt bei weitem nicht alles darüber, was im Oktober 1989 geschehen ist. Nicht über das Schicksal deiner Schwester und deiner Mutter und über so gut wie alles andere auch nicht.«
    »Dann erzähl es doch jetzt. Die Behörden werden dich so lange verhören, dass du sowieso alles ausplauderst. Wenn du jetzt redest, ist das der einfachste Weg«, erwiderte Kara.
    »Du ahnst ja nicht, mit welch gewaltigen Dingen du es zu tun hast. Wenn du es wüsstest, dann würdest du verstehen, dass dies der einfachste Weg ist«, sagte Hofman und hob die Pistole.
    Leo Kara wusste, dass sein Ende gekommen war, er starrte auf die Mündung der Waffe und wartete auf den Schuss. Eine Sekunde, zwei, drei … die Zeit verging, verdammt, warum zog Hofman es indie Länge? Kara schaute hoch und erblickte das angstverzerrte Gesicht des Mannes, der zögerte. Kara beschloss, es wenigstens zu versuchen. Er schnellte hoch, warf sich mit ausgestreckter Hand auf Hofman und spürte mit den Fingern das Metall der Pistole. Dann dröhnte ein harter Schlag auf seine Schläfe nieder, und er fiel krachend auf den Schreibtisch.
    Der bewusstlose Leo Kara sah nicht mehr, wie sich Viktor Hofman den Pistolenlauf in den Mund schob, mehrmals sagte: »Das ist der einfachste Weg« und den Abzug drückte.

35
    Montag, 11. Mai
    Es war im Oktober 1989. Leo Kara hielt sich auf dem Dachboden versteckt, er fror und fühlte sich schwach und müde. Das Leben war zu einem Alptraum geworden, der nicht endete, wenn man aufwachte. Er betrachtete seinen Vater durch eine kleine Öffnung, die er zwischen Brandmauer und Fußboden der Dachkammer gebohrt hatte, und spürte, wie ihm die Tränen über die Nase liefen. Sein misshandelter und blutüberströmter Vater war nur zwei Meter entfernt an einen Stuhl gefesselt, aber für ihn unerreichbar, als würde er auf einem anderen Planeten sitzen. Der Junge wagte kaum zu atmen, ihm graute schon allein vor dem Gedanken, was passieren würde, wenn man ihn entdeckte. Der Vater brummte leise vor sich hin, lange würde er nicht mehr durchhalten. Wie viel Blut passte eigentlich in einen Menschen? Plötzlich ging die Tür von Vaters Verhörraum auf, und ein breitschultriger Mann trat ein. Der Junge sah von schräg oben Stirn und Nasenspitze des schwarzhaarigen Folterers. Wie konnte jemand nur fähig sein, einen anderen Menschen so brutal zu quälen, auf seinem Gesicht war keinerlei Empfindung abzulesen, höchstens verzog er den Mund vor Anstrengung, wenn er Vater mit besonders viel Wucht schlug. Der Junge wollte nicht zusehen, was der Mann seinem Vater diesmal antäte, er wollte weg. Dann lächelte der Folterer, nicht boshaft wie ein Teufel, sondern freundlich …
     
    Es dauerte eine Weile, bis Kara begriff, dass er aufgewacht war. Das Fußgelenk schmerzte, und auf dem Kopf pochte eine Beule so groß wie ein Wachtelei. Schlagartig wurde ihm klar, wo er sich befand, er richtete sich auf und zuckte zurück, als er Hofmans zerplatzten Schädel und die Blutspritzer sah. Der Blick des toten Manns war eisig. Hatte Hofman sich umgebracht? Warum? Wenn die Wanduhrrichtig ging, war er stundenlang bewusstlos gewesen. Die Rakete würde in etwa sechzig Minuten gestartet werden. Das Blatt mit den Koordinaten der Raketenverstecke lag immer noch auf dem Tisch.
    Kara nahm den Briefumschlag und blätterte schnell die Beweise durch, die Hofman ihm hinterlassen hatte: Kopien von den Kooperationsverträgen zwischen Sibirtek und den finnischen Unternehmen, vom Witwenmacher gefälschte Endverbleibserklärungen, Fotos von der Übergabe der Raketen an Osman und al-Nuri. Aber nichts zum tatsächlichen Ziel der Organisation Hofmans oder zu Mundus Novus. Die Koordinaten der Raketenverstecke musste er Betha Gilmartin jetzt sofort melden, vielleicht schaffte es der SIS noch, den Anschlag zu

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