Schwarz
so kurz vor dem Anschlag anlief. Es würde Panik ausbrechen …
»Die Rakete wird auf Paris abgefeuert«, sagte Osman. »Ich kenne die Koordinaten nicht auswendig, aber ich weiß, wo sie im Internet zu finden sind«, log er.
»Gut. Mein Computer steht Ihnen zur Verfügung«, erwiderte der Kapitän, der von Osmans Bereitschaft zur Kooperation überrascht war, und deutete auf seinen Schreibtisch.
»Ich will auf die Kommandobrücke. Ich will sehen, was in der Welt passiert, wenn ich das Ziel des Raketenanschlags verrate.«
36
Montag, 11. Mai
Ein Schlag klatschte in Karas Gesicht, dann noch einer. Er wachte auf. Die Hand holte zum dritten Mal aus, blieb aber in der Luft hängen, als er nach dem schwarzen Handgelenk griff und die Augen öffnete – Baabas. Er schloss die Augenlider für einen Moment und hoffte, nur ein Gespenst gesehen zu haben. Vergeblich. Nach der Uhr an der Wand war er mehr als eine halbe Stunde bewusstlos gewesen.
Oberst Abu Baabas hielt Kara das Kabelende vor die Augen. »Du wirst heute in dieser Fabrikhalle sterben und darfst selbst wählen, wie viele Schmerzen du vorher erleidest. Ich will alles hören, was du über Rashid Osman, das Raketenultimatum und die Ermittlungen des SIS weißt.«
Kara tat so, als bewege er sich immer noch an der Grenze zur Bewusstlosigkeit.
»Möchtest du hören, wie es zu meiner Genickverletzung gekommen ist?«, fragte Baabas, dem das alles sichtlich Vergnügen bereitete.
»Ich wünschte, du hättest dir das Genick gebrochen.«
Das Gesicht von Baabas wurde noch dunkler, er drückte die Hand auf seinen Hals. »Ein amerikanischer Ingenieur eines Ölkonzerns, der sich der Verhaftung widersetzte, gab mir auf dem Baugerüst einer Probebohrung einen Tritt, und ich stürzte aus einer Höhe von vier Metern auf das Felsgeröll. Der Mann war dir ähnlich: ein arrogantes, selbstgefälliges Großmaul, das sich uns überlegen fühlte. Als ich aus dem Krankenhaus kam, ist er weinend gestorben. Und langsam.«
Kara überlegte fieberhaft. Er war an das dröhnende Aggregat gefesselt, der Oberst und der Soldat trugen Waffen, und Baabas hielt das Stromkabel in der Hand. Wenn er nicht redete, würden im nächsten Moment wieder Schmerzen durch seinen Körper jagen. Ihm fiel nur eine Sache ein, die er tun konnte.
Blitzschnell packte er das Gelenk der Hand, die das Kabel hieltund verdrehte es. Für Sekunden sah der Oberst erschrocken aus, als das Kabel nun plötzlich auf seinen Hals gerichtet war. Der Soldat machte einen Schritt auf ihn zu, doch Baabas befahl ihm brüllend wegzugehen. Dann griff er mit seiner freien Hand nach Karas Handgelenk, setzte seine ganze Kraft ein und drehte es mit aller Macht von sich weg … Das Stromkabel bewegte sich nun direkt auf Karas Augen zu. Das Aggregat dröhnte, und das Kabelende kam immer näher, es war nur noch fünf Zentimeter entfernt, er würde nicht mehr lange dagegenhalten können …
»Leo!« Die erschrockene Stimme eines Jungen ließ sowohl Baabas und den Soldaten als auch Kara zusammenzucken. Baabas konnte sich mit einem Ruck aus Karas Griff befreien. Der Soldat richtete seine Waffe auf Kafi, der an der Tür aufgetaucht war.
»Erledige den Jungen!«, befahl Baabas.
Der Soldat packte Kafi an der Schulter und zwang ihn auf die Knie wie zur Hinrichtung, dann hielt er seine Pistole mit ausgestrecktem Arm so, dass er Kafis Hinterkopf fast berührte.
Plötzlich hörte man zweimal ein dumpfes Zischen, und Baabas sah, wie der Soldat aufs Gesicht fiel. Ein Chinese … Asiate in einem grünen Schutzanzug starrte ihn von der Tür aus regungslos an. Wie zum Teufel kam der hierher …?
Wollte der Mann ihn gar nicht töten? Baabas war erstaunt, als er bemerkte, dass der Asiate an ihm vorbeischaute. Warum lag in seinem Verhalten oder Gesichtsausdruck keine Spur von Aggressivität? Hatte der Killer es auf Kara abgesehen? Baabas wandte den Blick zu Kara, der blitzschnell seine Hand packte und sie kräftig herumriss. Das Kabelende traf Baabas an der Stirn, die Ampere schlugen zu, und der Kopf des Obersts schnellte nach hinten, als hätte ihn ein Maultier getreten.
Baabas lag auf dem Rücken, als er die Augen aufschlug und den Asiaten erblickte, der ihn genauso ausdruckslos anschaute wie vorhin. Der Schmerz wogte immer noch durch seinen ganzen Körper, die Muskeln zuckten, und im Mund schmeckte es nach Lauge. Baabas schloss die Augen, und als er sie wieder öffnete, wusste er, das dies das Letzte war, was er in seinem Leben sah: die Pistolenmündung
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