Schwarz
Million Vögel mit grellen Farben und komischen Namen gesehen. Sie mochte Tiere sehr, aber die Begegnung mit Raubtieren hatte ihr natürlich auch Angst gemacht. Im Unterschied zu Hamburg lebten in Afrika schließlich gewaltige Löwen, Leoparden und Hyänen. Ihr Vater und die Führer hatten jedoch gesagt, dass man auf dem Pfad ganz bestimmt keine Angst zu haben brauchte. Sie hatte den besten Vater auf der ganzen Welt, keine ihrer Freundinnen war je in Afrika gewesen.
Schon jetzt im April war hier richtiger Sommer, während es in Hamburg noch schneite. Oder zumindest hatte es am Morgen ihres Abreisetages Schneeregen gegeben. Die afrikanische Hitze fühlte sich außerdem anders an, so ähnlich wie das dampfende Badezimmer nach einer langen heißen Dusche. Schade, dass der Pfad gleich zu Ende war, man sah schon die Gebäude der UN und den Sportplatz. Julia passte immer noch genau auf, wo sie hintrat, sie wusste ja, dass es in Afrika alle möglichen giftigen Viecher gab: Spinnen,Schlangen, Frösche, Schnecken. Die sah man im Fernsehen ab und zu in Naturfilmen. Sogar viele Jungs hatten gequengelt, die Wanderung sei ganz schön anstrengend, aber sie hatte es geschafft. Sie war ein für ihr Alter ungewöhnlich kräftiges und groß gewachsenes Mädchen und konnte auch mit den Jungen mithalten.
Julia lächelte bei dem Gedanken, wie neidisch ihr kleiner Bruder sein würde, wenn er von alledem hörte. Paul hatte nicht mitkommen dürfen, weil Vater nicht gleichzeitig auf zwei lebhafte Kinder aufpassen konnte. Es war genau richtig, dass sie den Ausflug mitmachen durfte, Paul war schließlich erst acht Jahre alt, sie jedoch schon fast elf. Julia war so stolz auf ihren Vater wie noch nie. Er hatte eine wichtige Arbeit in der weltweit größten Hilfsorganisation, im Welternährungsprogramm WFP. Und heute durften die Mitarbeiter des WFP ihre Kinder zu einem Betriebsfest mitnehmen, das auf dem Gelände des UN-Hauptquartiers in Kenia stattfand. Julia hatte viele Dinge über das WFP auswendig gelernt, damit sie ihren Freundinnen genauso schön von den Abenteuern ihres Vaters erzählen konnte wie er selbst. Wenn sie zu Hause Besuch hatten und ihr Vater seine Arbeit in Afrika schilderte, hörten die Gäste stets mucksmäuschenstill zu.
Plötzlich stieß ein Kind hinter ihr einen Schrei aus und rief etwas in einer Sprache, die Julia nicht verstand. Einige Kinder aus der Gruppe rannten los, auch Julia beschleunigte ihre Schritte. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, wohin die anderen liefen. Erst sah sie nur die Wasserbecken, aber dann – ein Jongleur! Nun stürmte auch Julia los und schloss sich der schreienden und lachenden Kinderschar an. In dem Moment schleuderte der Jongleur, der auf einem Einrad balancierte, seine Keulen in die Luft. Kurz darauf nahm der Lärm unter den Zuschauern der Show noch zu. Zwei kostümierte Clowns traten auf, ließen dressierte Pudel hüpfen und klatschten sich schließlich Torten ins Gesicht.
Als eine Frau mit einer bunten Schürze und einer Kochmütze die Kinder zum Essen rief, sauste Julia an die Spitze der Schlange. Hamburger, Hotdogs, Fajitas, Limonade und als Nachtisch Eis und alle möglichen Früchte. »Das ist der spannendste Tag in meinem Leben«, dachte Julia und schaute sich suchend nach ihrem Vater um.Aber heute brauchte sie seine Erlaubnis nicht. Auf Reisen durfte man richtig viele leckere süße Sachen essen, und das nicht nur wie sonst am »Bonbontag«.
Julia sah die Erwachsenen am Büfett mit ihren Bier- und Weingläsern, und da wurde ihr klar, was für einen mächtigen Durst sie hatte. Gierig trank sie ihre Limonade, füllte das Glas noch einmal bis zum Rand und nahm sich dann lauter köstliche Dinge, bis der Teller voll war. Mit ihrer Last musste sie vorsichtig gehen. Sie setzte sich auf die Betonumrandung des Wasserbeckens und biss in einen Hamburger. Vielleicht machte Vater doch nicht zu viele Reisen, überlegte Julia. Wenn er jeden Tag zu Hause auf dem Sofa läge, dann wäre sie nie nach Kenia gekommen. Natürlich wäre es am besten, wenn sie stets mit ihrem Vater zusammen sein könnte, aber immerhin spielten sie auch jetzt fast jede Woche miteinander. Wenn Vater nach Hause kam, dann gingen sie auf Spielplätze, in den Haustierzoo, in die Schwimmhalle …
Auf einmal hörte Julia ein Rauschen und schaute sich um, doch im Becken plätscherte das Wasser genau wie vorher. Das Rauschen wurde stärker, jetzt hörte man auch ein Zischen, als ob jemand Sand auf ein
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