Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarz

Schwarz

Titel: Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
Blechdach schüttete. Plötzlich rief einer der Erwachsenen etwas und zeigte mit der Hand zum Himmel.
    Julia drehte den Kopf in die Richtung und sah Funken und einen großen Gegenstand, der heulte und furchtbar schnell immer näher kam. Sie erschrak, wo war Vater? Rasch kroch sie hinter die Umrandung und schützte eben ihren Kopf mit den Händen, als sie von einer gewaltigen Kraft gegen den Beton geworfen wurde und etwas unerträglich laut explodierte. Ihre Ohren schmerzten, es war, als würde Wasser aus ihnen fließen, sie bekam keine Luft. Julia stand auf, atmete tief ein, schaute sich suchend nach ihrem Vater um und brach in Tränen aus. Überall brannte es, Menschen lagen auf dem Boden. Sie sah, wie eine einarmige Frau mit offenem Mund schrie, aber sie hörte nichts, in ihren Ohren summte es nur. Schnell zu Vater. Sie lief in die Richtung, wo sie ihn zuletzt mit einem Bierglas in der Hand gesehen hatte. Ein Junge war so schlimm verletzt, dass sie wegschauen musste. Julia blieb stehen, als sie das Gesicht ihres Vaters erblickte, der auf dem Boden lag, es sah ganz friedlich aus,seine Augen waren geschlossen. Aber die Hand, wo war Vaters Hand …
    Noch bevor Julia richtig begriff, was sie sah, wurde alles um sie herum schwarz.
    ***
    Die Bänke im Auditorium des Khartoumer UN-Hauptquartiers reichten nicht, die Menschen standen in den Gängen. Keiner von ihnen sagte etwas. Ihr Gesichtsausdruck schwankte zwischen Erschütterung und Ungläubigkeit, aller Augen waren auf die Breitwand gerichtet, auf der über einen Projektor die Nachrichtensendung von BBC World News zu sehen war. Der Terroranschlag auf das UN-Hauptquartier in Kenia hatte über zehn Menschen das Leben gekostet, unter ihnen mehrere Kinder. Aufgrund der Aussagen von Augenzeugen gingen die Militärexperten davon aus, dass eine Rakete auf dem Gelände des UN-Gebäudekomplexes in Gigiri eingeschlagen hatte. Noch gab es niemanden, der die Verantwortung für die Tat übernommen hätte.
    Leo Kara biss die Zähne so fest zusammen, dass ihm die Wangenmuskeln weh taten. Dieser Terroranschlag überstieg das menschliche Fassungsvermögen. Ein Wahnsinniger hatte eine Rakete auf das Betriebsfest der Mitarbeiter des Welternährungsprogramms abgefeuert, um Menschen zu töten, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatten, anderen zu helfen. Bis jetzt waren unter den elf Toten schon sechs Kinder. Die ganze Welt hielt den Atem an; in der Nachrichtensendung wurden abwechselnd der UN-Generalsekretär, die Präsidenten der USA, Russlands und Frankreichs sowie der Premierminister Großbritanniens und die deutsche Bundeskanzlerin interviewt. Die gestandenen Spitzenpolitiker wirkten zur Abwechslung einmal wirklich schockiert und versprachen sich mehrfach bei ihren Erklärungen.
    Im Anschluss an die Politiker ließ man einen Fachmann nach dem anderen vor der Kamera aufmarschieren. Ein bärtiger Sicherheitsexperte der »New York Times« zitierte aus einer Rede Ayman Al Zawahiris, der Nummer zwei von Al Kaida, vom Frühjahr 2008. Darin hatte der ägyptische Terrorist den Terroranschlag im Dezember2007 auf das UN-Büro in Algerien, bei dem einunddreißig Menschen umkamen, trotzig verteidigt.
    »Die UNO ist der Feind des Islam und der Muslime«, hatte Zawahiri versichert.
    Kara zuckte zusammen, als die rothaarige Frau hinter ihm in Tränen ausbrach. Erst jetzt ging ihm auf, dass möglicherweise mancher hier im Saal bei dem Anschlag in Gigiri Angehörige verloren hatte. Viele UN-Mitarbeiter heirateten untereinander, und der Gebäudekomplex von Nairobi war eines der vier Hauptquartiere der UNO. Wer weiß, vielleicht war auch einer seiner Kollegen bei dem Anschlag getötet worden, das Regionalbüro des UNODC für Afrika und den Nahen Osten befand sich in Gigiri.
    Schließlich erschien in der Nachrichtensendung ein weinendes, blasses deutsches Mädchen, dessen Vater bei dem Raketenanschlag umgekommen war. »Haben diese Medienparasiten denn überhaupt kein Schamgefühl, das Kind steht doch eindeutig unter Schock«, dachte Kara empört. Für eine dramatische Nachricht war denen aber auch jedes Mittel recht.
    Viele Fragen gingen ihm durch den Kopf. War Gigiri mit einem vom Witwenmacher geschmuggelten Marschflugkörper angegriffen worden? Hatte Ewan eine Spur gefunden, die zu den Tätern des Anschlags von heute führen würde? Waren der Witwenmacher und Ewan deshalb getötet worden? Jetzt hatte Kara erst recht den brennenden Wunsch, den Mord an seinem Freund aufzuklären. War derjenige, der

Weitere Kostenlose Bücher