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Schwarz

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Titel: Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Gigiri ist das der am strengsten bewachte Ort in Kenia, vielleicht in ganz Afrika. Es ist unmöglich, irgendeinen Gebäudekomplex noch besser zu schützen. Und dennoch ist der Raketenanschlag auf Gigiri gelungen. Wie kann man sich vor Raketenanschlägen überhaupt schützen – indem man in Bunkern lebt? Das einzig sichere Mittel ist, den ganzen Laden dichtzumachen, und das dürfte kaum in Frage kommen.« Der Generalsekretär rieb sich einen Augenblick die Schläfen und las dann das Schreiben weiter vor.
    »Wir wollen der UNO, dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank die Möglichkeit geben, ihr Erscheinungsbild in den Augen der Welt zu verbessern. Wenn man unsere Forderungen erfüllt, werden die Raketen vernichtet, und dieses Ultimatum wird nie veröffentlicht. Der Schuldenerlass für die ärmsten Staaten der Welt wird ein Zeichen des guten Willens von historischer Tragweite sein: Die Welt wird der UNO, dem Währungsfonds und der Weltbank ihre Sympathien bekunden. Alle werden gewinnen.«
    Ronibala Kumari wirkte konfus. »Was sollen wir tun? Was sagen die Mitgliedsstaaten dazu?«, fragte die fünfzigjährige korpulente Frau aus Sri Lanka und breitete die Arme aus.
    »Ich habe schon eine Dringlichkeitssitzung mit den Vertretern der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates durchgeführt«, antwortete der Generalsekretär. »Es wurde beschlossen, die Verantwortung für die Ermittlungen dem britischen Auslandsnachrichtendienst SIS zu übertragen, weil Großbritannien derzeit den Vorsitz im Sicherheitsrat hat und weil der SIS eine der wenigen Institutionen ist, die über genügend Ressourcen für derartige Ermittlungen verfügen.« »Und natürlich auch, weil Russland nie eingewilligt hätte, diese Aufgabe dem CIA zu übertragen«, dachte der Generalsekretär.
    »In Gigiri sind zwei Briten umgekommen«, sagte die Vizegeneralsekretärin Kumari leise.
    »Haben die Nachrichtendienste schon irgendeine Ahnung, um was für Täter es sich handelt?«, fragte Birou in der Hoffnung, dass die Bedrohung eliminiert werden könnte, bevor sie seine Arbeitsbelastung erhöhte.
    Der Generalsekretär warf einen Blick auf seine Unterlagen. »Die Militärbehörden haben herausgefunden, dass die Rakete nicht so funktionierte … explodierte, wie sie sollte. Allerdings wissen die Experten nicht, ob ihre Vernichtungskraft absichtlich verringert wurde oder ob es zu einer technischen Störung kam.« Der Generalsekretär trank ein Glas Wasser, bevor er fortfuhr.
    »Aber das Wichtigste aus Sicht der Ermittlungen zu dieser unbegreiflichen Tat und zu dem Ultimatum besteht darin, dass Waffenexperten der britischen Armee Überreste der Rakete von Gigiri gefundenhaben. Anhand dieser Teile kann man vielleicht klären, wer die Rakete hergestellt und abgeschossen hat.«
    In dem Raum herrschte Schweigen, das der Generalsekretär schließlich selbst brach. »Vorschläge, Ideen?«
    Birou blieb seinen Grundsätzen treu und schüttelte den Kopf. Je weniger man sich aufdrängte, umso weniger Verantwortung musste man tragen. Ronibala Kumari schien derselben Ansicht zu sein.
    »Überall auf der Welt sterben ständig UN-Mitarbeiter, und nicht wenige davon werden ermordet. Und Anschläge auf die UN mit Waffen und Bomben hat es auch früher gegeben, zuletzt vor etwa zwei Jahren in Algerien, wir erinnern uns nur zu gut daran. Aber das hier ist etwas ganz anderes, noch nie ist ein Staat oder eine internationale Institution Opfer einer solchen Erpressung geworden. In den nächsten zwei Wochen nutzen wir all unsere Zeit für die Lösung dieses Problems«, verkündete der Generalsekretär.
    Aus irgendeinem Grund vermochte Gilbert Birou nur an eines zu denken: Wie groß wäre wohl der Schaden für die Ermittlungen zu dem Anschlag und für seine, Birous, Karriere, den Leo Kara anrichtete, bevor man ihn aus dem Sudan herausholen konnte?
    ***
    Der auf dem Tisch stehen gebliebene Aquavit hatte Zimmertemperatur und schmeckte Leo Kara nicht, aber das Abendbrot aus der UN-Kantine drängte mit Macht wieder ans Tageslicht, so dass Maßnahmen zur Desinfektion von innen notwendig wurden. Ohne Zweifel schloss gerade irgendeine afrikanische Bazille Bekanntschaft mit seinem Magen. Der CNN-Nachrichtenkanal berichtete pausenlos von dem Raketenanschlag auf Gigiri. Es war kurz vor Mitternacht.
    Das Festnetztelefon in seinem Zimmer schrillte. Kara griff zum Hörer und war sicher, dass der offizielle Schnüffler im Khartoumer Hauptquartier, Zbigniew Górski, in den Paragraphen der

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