Schwarz
Sturm los, ein tausendfacher Jubelschrei, und auf dem Rasen begruben die rotgekleideten sudanesischen Spieler den Torschützen unter sich. Es stand 1:1.
»Knabenliebe«, sagte Kara und grinste. Er ließ seinen Blick über das Zuschauermeer wandern und stellte fest, dass auf den besten Plätzen Hunderte Leute aus dem Westen saßen. Ewan hatte ihm erzählt, dass in Khartoum noch zu jeder Hundehochzeit Scharen vonausländischen Arbeitern herbeiströmten, so wenig Möglichkeiten der Freizeitgestaltung gab es in der Stadt. Unter den Zuschauern erkannte er das Gesicht eines Mannes, den er in der Kantine des UN-Hauptquartiers gesehen hatte.
»Du hast am Telefon erwähnt, dass Ewan dir einige Unterlagen hinterlassen hat«, sagte Katarina Kraus, als der Lärm allmählich nachließ.
Kara überlegte kurz, bevor er antwortete, er wollte Katarina Kraus nicht zu viel verraten. »Ich habe Ewan nicht mehr treffen können, und am Telefon wollte er nicht über die Einzelheiten seiner Ermittlungen sprechen. Aber er hat mir einen Memorystick hinterlassen mit Dokumenten über den Witwenmacher und dessen aktuelle illegale Raketengeschäfte.«
Katarina Kraus war schlagartig hellwach. »Und in wessen Auftrag hat der Witwenmacher gehandelt? Wen hatte Ewan in Verdacht?«
»Ewan war schon nahe an der Wahrheit dran, ist aber nicht ganz bis ans Ziel gekommen. Er wusste, dass der Witwenmacher zurzeit mit Nordkorea, dem Iran und einer Organisation zusammenarbeitete.«
»Was für eine Organisation?«
»Ihr Name war Sibirtek«, erwiderte Kara, indem er das letzte Wort betonte. »Sie wurde auch auf zwei Seiten erwähnt, die ich in der Villa des Witwenmachers noch überfliegen konnte.«
»Ewans Stick wird doch vermutlich sicher verwahrt, es könnte gut sein, dass ihn jemand an sich bringen möchte.«
Kara lachte. »Der ist idiotensicher versteckt.« Dabei dachte er an sein Zimmer im UN-Hauptquartier. »Und das ist jetzt auch nicht mehr so wichtig, ich habe die Informationen schon an das UNODC weitergeleitet.«
Katarina Kraus dachte einen Augenblick nach. »Hast du die Absicht, Ewans Ermittlungen fortzuführen, oder was will die UN tun?«
»Warum fragst du?«
»Hofman ist vielleicht bereit, dir zu helfen, wenn du die Ermittlungen weiterführst. Soweit er dazu imstande ist. Auch dieses Treffen war Hofmans Idee.« Katarina Kraus sah so aus, als hätte sie ein großes Geheimnis verraten.
»Als Erstes will ich herausfinden, wer Ewan ermordet hat«, erwiderte Kara erregt.
»Das wird Hofman kaum wissen. Ich meinte damit, dass er vielleicht bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Raketenschmuggel helfen will. Doch andererseits … Ich kann ihn ja fragen, in der Regel bekommt er alles heraus, wenn er nur will. Du wärst überrascht.«
»Was glaubst du, was mit Ewan passiert ist? Worum geht es bei alledem?«, fragte Kara.
»Ich vertraue auf Ockhams Rasiermesser: Die einfachste Theorie ist mit größter Wahrscheinlichkeit die richtige. Ewan kam den Raketengeschäften des Witwenmachers auf die Spur, erfuhr Dinge, die zu brisant waren, und wurde genau wie der Witwenmacher ermordet.«
»Aber wer hat ihn ermordet?« Kara ließ nicht locker.
»Der Käufer dieser Marschflugkörper, wer sonst.«
Die beiden konzentrierten sich wieder auf das Spiel, als die Elfenbeinküste einen Freistoß direkt an der Strafraumgrenze erhielt. Der Pfostenschuss löste unter den Zuschauern einen gemeinschaftlichen Seufzer aus, der fast die Stärke einer Sturmböe erreichte.
»Gefällt dir dein jetziger Job? Wie arbeitet es sich beim UNODC?«, erkundigte sich Katarina Kraus.
Kara überlegte einen Moment. »Wenn man von der Bürokratie mal absieht, ist er nicht übel. Eine Organisation von Fachleuten, in der große Komplexe untersucht werden: die organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Terrorismus, all das Schlimme, was die Menschen sich ausdenken. Und meine eigene Arbeit ist recht unabhängig und abwechslungsreich, ich kann viel reisen, und Wien ist eine ganz erträgliche Stadt. Und du, arbeitest du ständig in Khartoum?«
»Zum Glück nicht.« Katarina Kraus lachte. »Das Leben einer weißen Frau in einem arabischen Land ist kein Zuckerschlecken. Vor allem, wenn sie keinen Schleier tragen will. Viele rufen einem etwas nach, manche spucken einen an, und dann und wann kommt es zu Vergewaltigungen und auch zu Morden. Eine Frau sollte nicht auf die Straße gehen, sondern drinnen bleiben, und zwar in den Hotelsund Restaurants für die Leute aus dem Westen. Das
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