Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
weiterhin konsequent bei ihrer Haltung, dass dieser Einsatz völkerrechts- und auch verfassungswidrig ist und deswegen niemals hätte angeordnet werden dürfen, also erst recht nicht verlängert werden darf. Man mag zu den einzelnen politischen Positionen stehen, wie man will, sie stellen lediglich unterschiedliche Positionen in der deutschen Bevölkerung dar, denn in Demokratien ist das Parlament eben definitionsgemäß ein Spiegelbild aller Wahlberechtigten. Fragt man allerdings die Bürger direkt, was sie vom Einsatz halten, so ist das Ergebnis nicht nur eindeutig, es ist auch seit Jahren konstant: Über 70 Prozent befürworten ein schnelles Ende.
Seit Jahren ist nicht klar definiert, welche Aufgabe die Bundeswehr im Afghanistan-Einsatz eigentlich erfüllt. Baut sie Schulen und Brunnen aus humanitären Gründen? Unterstützt sie eine von uns erwünschte Regierung in einem Bürgerkrieg? Stabilisiert sie ein Land, das gegen den Terrorismus kämpft? Setzt sie Menschenrechte in einem Land durch, in dem die Bürger nichts sehnlicher wünschen? Interveniert sie militärisch in einem fernen Land? Wofür? Verteidigt sie im Ausland Deutschland und die deutschen Bürger? Steht sie in einer militärischen Auseinandersetzung? Führt sie Krieg?
Zu all diesen Fragen gibt es von den politisch Verantwortlichen keine belastbare Auskunft. Die öffentlichen politischen Statements zu dem, was der Auftrag deutscher Soldaten in Afghanistan ist, offenbaren die gleiche Uneindeutigkeit, den gleichen Schlingerkurs und die bereits angesprochene inkonsequente Haltung, die bei den Themen Mandatsverlängerung, Rückzugsdatum und auch Öffentlichkeitsarbeit festzustellen waren. Auf mögliche Gründe für diese überraschende Auskunftsscheu wird in einem der folgenden Kapitel noch genau einzugehen sein.
1.4 Fragwürdiges Kontrollorgan Verteidigungsausschuss
Gemäß dem Prinzip der checks and balances , das in fast allen Wirtschaftsunternehmen und auch in der politischen Organisation Deutschlands zur Anwendung kommt, sind den parlamentarischen Entscheidern, wie Regierung, Ministern und Staatssekretären, Personen und Institutionen an die Seite gestellt, denen die Kontrolle und Überprüfung aller Vorgänge innerhalb des ihnen zugewiesenen Aufgabenbereichs obliegt. Das bedeutendste Kontrollorgan für sämtliche Belange der Bundeswehr ist der Verteidigungsausschuss. Alle seine Mitglieder sind hauptberuflich Abgeordnete des Deutschen Bundestages, also gewählte Volksvertreter. Angehöriger des Verteidigungsausschusses wird nur, wer für ein solches Amt kandidierte und von seiner Partei gemäß ihrer Stärke im Bundestag einen Sitz zugewiesen bekam.
Zunächst soll der Zuständigkeitsbereich dieses Gremiums genauer beschrieben werden:
• Der Verteidigungsausschuss bereitet die Entscheidungen des Parlaments vor und unterstützt deren Durchführung.
• Er kontrolliert begleitend die Politik des Verteidigungsministeriums und die Einsätze der Streitkräfte.
• Er berät die Regierung bei Gesetzesentwürfen und Entschließungsanträgen die Bundeswehr betreffend.
• Er kann sich, auch lediglich auf Antrag einer Minderheit seiner Mitglieder, selbst als Untersuchungsausschuss einsetzen, ohne dass vorher ein Parlamentsbeschluss einzuholen wäre.
• Er muss bei Beschaffungsvorhaben konsultiert werden und seine Zustimmung geben.
• Sein Urteil ist zwar für die Regierung nur in den wenigsten Fällen rechtlich bindend, politisch aber von erheblichem Gewicht.
Keine Frage, dass bei dieser Aufgabenzuschreibung und einem solchen Verantwortungsbereich nur qualifizierte und in militärischen Belangen erfahrene Personen im Verteidigungsausschuss sitzen sollten, da dieses Gremium umfassende Beratungsfunktionen auszuüben hat, die für die Entscheidungsfindung der Regierung grundlegend sind oder sie zumindest in vielerlei Hinsicht beeinflussen.
Die schärfste Waffe des Parlaments, um Regierungsverhalten zu kontrollieren oder politische Missstände aufzudecken, ist der Untersuchungsausschuss. Über dieses Instrument verfügt auch der Verteidigungsausschuss: Auf Antrag mindestens eines Viertels seiner Mitglieder muss eine Untersuchung anberaumt werden. So wird der Verteidigungsausschuss durch eigene Entscheidung zum Untersuchungsausschuss.
Eine solche Entscheidung erfolgt aus politischem Kalkül, denn stets versucht ein Teil der Mitglieder, die meist derselben Partei angehören und von ihr in den Ausschuss delegiert wurden, von diesem Minderheitsrecht
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