Schwarzbuch Esoterik
am Automaten ziehen zu können, kaschierte eher die plötzliche Erkenntnis vieler Menschen, von einer Technologie abhängig zu sein, die nur wenige beherrschen können. Unbekannte sind unter Umständen in der Lage, das Leben per Knopfdruck zu beeinflussen. Da kommen Urängste hoch. Wenn der Einzelne nichts dagegen tun kann, wer kann es dann? Niemand weiß, in welchem Maß zu dieser Zeit Gott und Götter oder andere himmlische Mächte angerufen wurden, um das eventuell bevorstehende, sehr weltliche Drama abzuwenden.
Grundsätzlich bot die Jahrtausendwende die Möglichkeiten, alle religiös entwickelten Urängste zu beleben. Religiöse Endzeiterwartungen finden sich praktisch in allen weltweit relevanten Religionen. Im Unterschied zu Glaubensvorstellungen über das individuelle Leben beziehungsweise
Weiterleben nach dem Tod handelt es sich dabei um Ereignisse, die das Ende der Welt und der ganzen Menschheit erwarten lassen. Die Prophezeiungen gelten also erst einmal für alle Bewohner des Planeten Erde. Da setzt dann allerdings die jeweilige religiöse Strategie ein. Sie kann je nach kultureller Entwicklung eines Landes auf der Weltkarte etwas abweichend ausfallen. Aber die Botschaft an die Menschen ist sehr eindeutig: Es gibt einen Weg, dem globalen Tod von der Schippe zu springen. Der rechte Glauben kann davor bewahren.
Ein Begriff hat sich für alle Endzeitvorstellungen durchgesetzt: die Apokalypse (griechisch: Enthüllung, Offenbarung). Für alle möglichen Arten der Bedrohung, egal mit welchem Hintergrund, wird dieser Begriff manchmal geradezu inflationär angewendet. Apokalypsen gibt es bereits in vielen antiken Schriften, aber als Literaturgattung entstammen sie dem jüdisch-christlichen Kontext. Danach sind es visionäre Offenbarungen angesichts einer Krise oder Katastrophe. In der Bibel ragen heraus das Buch Daniel und die Offenbarung des Johannes. Hier finden sich auch die Motive des Weltendes, des totalen Untergangs und der Neuschöpfung, die den Begriff Apokalypse zum Synonym machen für das große Drama am Ende der Zeit. Apokalyptische Vorstellungen gibt es aber nicht nur in jüdischen und christlichen Offenbarungstexten. Auch im Islam, in den Schriften des lamaistischen Buddhismus und im Hinduismus lässt sich Entsprechendes finden. Alle diese Texte eint die Vorstellung eines finalen Dramas: die Welt geht unter und entsteht neu. Die Autoren Victor und Victoria Trimondi fassen es folgendermaßen zusammen: »Die Geschichte der Menschheit ist der irdische Ausdruck eines kosmischen Krieges zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis. In diesem
universellen Kampf stehen sich Gott und Satan, Engel und Teufel, Oberwelt und Unterwelt als unversöhnliche Feinde gegenüber. Wenn sich die Weltgeschichte der apokalyptischen Entscheidungsschlacht nähert, ist jeder Mensch gezwungen, sich für oder gegen Gott zu entscheiden.« 120
Das bei der Jahrtausendwende oft verwendete Wort »Millennium« geht ebenso auf die Offenbarung des Johannes zurück, wo ein Tausendjähriges Friedensreich der Christusherrschaft angekündigt wird. Jesus Christus kehrt zurück, und die Welt ist errettet. Die Annahme der Wiederkunft Christi am Ende der Welt gehört seit dem frühen Christentum zum Glauben dazu. Auch wenn im Laufe der Zeit (durch die sogenannte Parusieverzögerung) bei den meisten Christen die Naherwartung abgelöst wurde von der Endzeiterwartung des messianischen Friedensreiches und gegenwärtig selbst diese keine große Rolle mehr zu spielen scheint, ist es unverzichtbar, diesen Religionshintergrund im Auge zu haben, wenn man auf den ersten Blick unverständliche apokalyptische Ängste bei Menschen zur Kenntnis nimmt.
Es wäre leicht, dieses zu ignorieren und darauf zu verweisen, dass die großen christlichen Konfessionen sich zu Glaubensinstitutionen entwickelt haben, in denen die christliche Lebensgestaltung im Hier und Jetzt im Vordergrund steht. Dafür allerdings ist in der Vergangenheit unter Bezug auf die Offenbarung des Johannes zu viel passiert. Die Christen sollten schon die Verantwortung dafür übernehmen, dass ihre Verkündigung Raum für Interpretation und Spekulation lässt. Dabei kommt es nicht immer darauf an, ob sich die handelnden Personen bewusst sind, dass die Vorlagen
für die Entwicklung ihres Denkens und Handelns oft in der Bibel grundgelegt sind. Entscheidend ist, wie diese Vorlagen ausgelegt werden und ob daraus Heil oder Unheil erwächst, weil dem Verkünder des allein selig machenden
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