Schwarzbuch Esoterik
wird. Mit New Age kann man allerdings etwas anfangen. Doch wird eigentlich bezweifelt, dass er überhaupt musizieren kann. Wie auch immer! Wäre er bei Musik geblieben, er wäre eine Randnotiz in der Auseinandersetzung um Esoterik wert, mehr nicht.
Aber auch Herr Schulz konnte wohl nicht der Versuchung widerstehen, seine Anhängerschaft in eine Kommune zu führen. In den 70er-Jahren soll er die erste Gruppe zusammengebracht haben. Es passt zur Bezeichnung seiner Musik: Das New-Age-Jahrzehnt hat ihn hervorgebracht. Relativ unbehelligt von der Außenwelt, gefeiert als Eso-Musiker, kam es erst zu kritischer Berichterstattung, als er sich schon lange in Portugal mit der Gruppe zurückgezogen hatte. Als unumstrittener Anführer der Gruppe lebte er seine
sexuellen Bedürfnisse aus. Wieder einmal waren es Kinder, die leiden mussten. Erst nachdem Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs in mindestens dreihundert Fällen erhoben und dokumentierten, wurde der Staat aktiv. Der deutsche Kinderschänder wurde per Fahndung gesucht und schließlich nach Deutschland ausgeliefert. Er gestand einen Teil der Taten. Im Jahr 2009 wurde er verurteilt. Die Kinder werden ihr Leben lang leiden, der Guru kann darauf hoffen, bei guter Führung keine fünf Jahre im Knast sitzen zu müssen.
In den Foren der Esoterik-Szene im Internet wurden die Verhaftung und die Vorwürfe diskutiert. Die Fangemeinde ging natürlich erst einmal davon aus, dass »ihr« Musiker unschuldig sein musste. Einige Stimmen waren durchaus bereit, ihm sogar den Missbrauch an Kindern wegen seiner Musik für die neue Welt zu vergeben. Immerhin: Ein größerer Teil missbilligte die Taten, wollte aber trotzdem nicht davon Abstand nehmen, weiterhin die Musik zu hören, zu kaufen oder zu empfehlen.
Man kann hoffentlich davon ausgehen, dass in Deutschland nach der Haftentlassung des Herrn Schulz niemand bereit sein wird, ihm für sein künstlerisches Werk eine Plattform zu bieten.
Nicht ohne meine Schwestern
Dieses Kapitel ist nach einem Buchtitel benannt. 169 Geschrieben haben es Schwestern, die von Geburt an getrennt wurden, weil der Guru es so wollte. Die Gruppe, um die es geht, ist in der Vergangenheit unter dem Titel »Sekte« eigentlich ausreichend bekannt: die Kinder Gottes. Die Schwestern waren den Misshandlungen und dem Missbrauch schutzlos ausgeliefert, da ihre Eltern Anhänger des Anführers David Berg waren. Berg kommt aus dem christlichen Bereich, aus Amerika. Die Entstehungsgeschichte geht auf die 1960er-Jahre zurück. Berg und seine Frau sollen nach bekannten Veröffentlichungen in den USA predigend umhergezogen sein und mit Parolen gegen das »System« den Zeitgeist des Protestes aufgegriffen haben, um so Menschen an sich zu binden.
Die Kinder, hineingeboren in die von Berg geschaffene geschlossene Gruppe, waren den Lehren und den Handlungen hilflos ausgeliefert. Sie wuchsen auf mit dem Bild des gütigen Vaters David Berg, als »Kinder Davids«. Berg selber sah sich in der Nachfolge von König David und des Propheten Moses. Davon abgeleitet hießen seine schriftlichen Botschaften an seine Anhänger »Mo-Briefe«, darin die Verkündigungen und Regeln für die Gruppe. Schon die Kinder verbrachten viel Zeit damit, die Briefe zu lesen. Regelverstöße wurden bestraft. David Berg verkündete, dass möglichst viele Kinder geboren werden müssten, um sie aufwachsen zu lassen als die neue Hoffnung der Welt.
Für die Kinder ein schreckliches Leben: »Man sagte uns, es sei ein großes Privileg, in die ›Familie‹ hineingeboren worden zu sein und darin aufwachsen zu dürfen, frei von den Zwängen des ›Systems‹, wie die Welt außerhalb der Sekte genannt wurde. Es sei unsere Bestimmung, Gottes Endzeitkämpfer zu werden und unser Leben der guten Sache zu widmen.« 170 Auch hier die übliche Theorie: Nur wir in dieser Gruppe sind die Retter der Welt. Die Erwachsenen waren in der Parallelwelt des David Berg gefangen, ohne auf die Idee zu kommen, dass die Aussagen oder Prophezeiungen zu hinterfragen wären. So wurden sie zu Tätern an den Kindern.
Berg predigte die Liebe Gottes, und da die Anhänger immer wieder Endzeitprophezeiungen von ihm zur Kenntnis nehmen und verinnerlichen mussten, blieb nur begrenzte Zeit, die Gottesliebe zu leben. Die war dann allerdings sehr weltlich und altersunabhängig. »Den größten Schaden fügte uns Bergs ›Gebot der Liebe‹ zu. Gott war Liebe, und Liebe war gleichbedeutend mit Sex. […] Da das
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