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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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geblieben, die Gleichsetzung von Kreuzfahrern und barbarischen Kannibalen, die Identifikation des Papstes mit dem »Obersten Kriegsherrn der Kreuzritter«, wie noch 1981 Mehmet Ali Agca sein Attentat auf den Papst begründete, sind bis heute Topoi der islamisch-fundamentalistischen Agitation, die in Strukturen wie al-Qaida erneut verbreitet werden. Freilich muss klar gesagt werden, dass Gräuel aus tiefer Vergangenheit keine Rechtfertigung für aktuelle Terroranschläge abgeben. Will man den heutigen Terroristen mit islamischem Hintergrund wirksam politisch entgegentreten, muss diese Vorgeschichte der christlich-islamischen Konfrontation allerdings berücksichtigt werden.
    Wenn vor diesem Hintergrund ein durchschnittlich gebildeter Muslim heute hört, dass der Papst den Muslimen Ratschläge gibt, wie sie es mit dem Thema Religion und Gewalt zu halten hätten, wird er dies nicht als Einladung zum Dialog empfinden, sondern als Anmaßung. Deshalb geriet die Regensburger Vorlesung Papst Benedikts XVI . vom 12 . September 2006 , die noch dazu in stark verkürzter Form in den internationalen Medien verbreitet wurde, zum Desaster, was ihre Wirkung auf die muslimische Öffentlichkeit betraf. Der Papst zitierte einen der letzten byzantinischen Kaiser, Manuel II . ( 1391 – 1425 ), mit einem Satz, der gegen den Propheten Mohammed gerichtet war: »Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.« Benedikt XVI . hat in dieser Rede, die nicht auf dieses Zitat verkürzt werden darf, eigentlich nichts Falsches gesagt, das wurde ihm auch von muslimischen Theologen bestätigt. Falsch war nur, wie er es gesagt hat, falsch war, dass er die historische Dimension der Problematik nicht beachtet hat. Und so trägt die verbreitete Ignoranz der eigenen Geschichte, die in kirchlichen Kreisen habituell ist – insbesondere was die unangenehmen Seiten der Kirchengeschichte betrifft –, bis heute schlechte Früchte.
     
    Raimund von Toulose, der Barbar von Maraat an-Numan, hatte nach dem Tod des Bischofs Adhemar die »Heilige Lanze« in die Hand bekommen und hielt sich deshalb für berufen, das verbliebene Kreuzfahrerheer endlich nach Jerusalem zu führen. Im Juni begann die Belagerung der Stadt, die erst kurz zuvor von den ägyptischen Fatimiden, einer schiitisch-ismaelitischen Dynastie, erobert worden war. Auch hier standen die militärischen Aussichten für das stark zusammengeschmolzene Heer der Kreuzfahrer schlecht. Erneut half ein propagandistischer Winkelzug, die Moral der Truppe wiederaufzurichten. Doch zuvor kam es zu einem Machtkampf innerhalb der christlichen Führungsriege. Offenbar sah sich der Hofkaplan der Normannen, Arnulf von Chocques, in seiner Aussicht auf ein hohes geistliches Amt von Peter Bartholomäus behindert, dem wohl populärsten Geistlichen der Truppe. Arnulf zweifelte öffentlich an der Heiligen Lanze und trieb den Mönch in die Enge, bis dieser die Echtheit der von ihm aufgefundenen Reliquie mittels einer Feuerprobe besiegeln wollte. Der Probe unterzogen wurde dabei allerdings nicht die umstrittene Lanze, sondern der Mönch. Diese Prozedur überlebte Peter Bartholomäus nicht, er erlag einige Tage später seinen Verletzungen. Damit war der Konkurrent des Hofkaplans aus der Welt, die Frage der Echtheit der Lanze spielte in der Folge keine Rolle mehr. Kaplan Arnulf sorgte jetzt mit einer Christusstatue, die er an eine große Belagerungsmaschine binden ließ, für die nötige Begeisterung der Kreuzfahrer.
    Als wieder einmal die Nahrungsvorräte zu Ende gingen, rief die Geistlichkeit die Kreuzfahrer erneut zum frommen Fasten auf, und die folgende Schlacht wurde als Weihehandlung inszeniert. Wie im Alten Testament bei der Belagerung von Jericho, wurden die Ritter zu einer Prozession um die belagerte Stadt geführt, damit diese ihnen vom Herrn geschenkt würde, wie einst Jericho dem Propheten Josua vom Herrn gegeben wurde. Solcher seelsorgliche Einsatz erzeugte bei den Rittern einen derartigen frommen Furor, dass ihnen am 15 . Juli 1099 die Einnahme Jerusalems glückte. Ihre (un)heilige Wut entlud sich auch hier in einem Gemetzel an der Besatzung sowie der muslimischen und jüdischen Zivilbevölkerung der Stadt. Vergeblich versuchten die Muslime, sich in der Al-Aqsa-Moschee zu verschanzen. Stolz berichtet der fromme Autor der Gesta Francorum : »Fast die ganze Stadt war

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