Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
als ein Entsatzheer des Atabegs von Aleppo, Nur ad-Din, im Anzug war, gaben die Kreuzfahrer auf und zogen in zerstreuter Ordnung heim nach Europa. Das Renommee des Papstes als oberster Kriegsherr der Christenheit hatte unter diesem Misserfolg gelitten.
Eine weitere Generation später hatte sich die Stellung der Kreuzfahrer im »Heiligen Land« erneut katastrophal verschlechtert. Sultan Saladin, einem sunnitischen Kurden, der über Syrien und Ägypten herrschte, gelang 1187 die Eroberung Jerusalems. Dies löste im christlichen Abendland einen Schock aus, vielleicht ähnlich demjenigen, den der Terrorangriff auf die Türme des New Yorker World Trade Center am 11 . September 2001 verursachen sollte. Papst Urban III . soll vor Schreck gestorben sein, als er am 20 . Oktober 1187 in Ferrara die Nachricht vom Fall Jerusalems erhielt. Gregor VIII ., sein schon fünf Tage später gewählter Nachfolger, verfasste unverzüglich die Kreuzzugsbulle Audita tremendi , mit der er die abendländischen Fürsten zum Kampf aufforderte. Nach der Logik des Papstes stellte der Fall Jerusalems eine göttliche Strafe auch für die Sünden des Abendlandes dar. Das Abendland müsse also als Sühne alles daransetzen, das Heilige Land zurückzuerobern. Es folgte das gewohnte Versprechen, dass die Kreuzfahrer unter dem Schutz der heiligen Mutter Kirche stünden, sowie die Auslobung eines Ablasses zur Vergebung der Sündenstrafen. Diese Kreuzzugsbulle war eigentlich die einzige Amtshandlung Gregors, der nach nur 53 Tagen als Papst verstarb.
Dennoch folgten die Fürsten und ihre Gefolgsleute dem Ruf des Heiligen Vaters zu Krieg und Blutvergießen im Namen des Herrn. Das prominenteste Opfer war diesmal der Kaiser selbst: Friedrich I . Barbarossa ertrank 1190 in der Nähe der heutigen Stadt Silifke im Süden der Türkei bei der Überquerung eines Flusses, vermutlich erlag er einem Herzinfarkt. Die anderen Kreuzfahrer, die meist den Seeweg genommen hatten, waren uneins und erreichten nicht viel. Jerusalem blieb in muslimischer Hand, der König von Jerusalem musste sich nach Akkon zurückziehen. In Zypern wurde quasi als Ersatz ein neuer Kreuzfahrerstaat gegründet, aber dieses Land hatte man nicht den Muslimen abgenommen, sondern einem christlichen Herrscher aus einer Nebenlinie der byzantinischen Kaiser. Alles in allem ein Misserfolg.
Aber immer noch war die Kirche, waren die Päpste der Auffassung, der Kreuzzug sei ein probates politisches Mittel – nicht zuletzt, um ihren eigenen Anspruch als Führer der Christenheit herauszustellen, und zwar im weltlichen wie im geistlichen Sinne. Die Doppelnatur des Kreuzzugs als religiöse Wallfahrt und als heiliger Krieg arbeitete deshalb Papst Innozenz III . ( 1198 – 1216 ) in seiner schon kurz nach seiner Wahl veröffentlichten Kreuzfahrtbulle Post miserabile Ierusolimitane (»Nach dem jämmerlichen Schicksal Jerusalems«) heraus. Zusätzlich zu den bisher üblichen Privilegien wurde den Kreuzfahrern der Erlass aller Schuldzinsen während des Kreuzzugs versprochen. Jüdische Geldverleiher sollten ihnen etwa bereits bezahlte Zinsen zurückerstatten.
Innozenz III . war mit 37 Jahren ein ungewöhnlich junger Papst und nach dem Maßstab der Zeit auch ein ungewöhnlich gebildeter. Eigentlich Kirchenjurist, nutzte er diese Disziplin, um den Machtanspruch des Papstamtes zu festigen. Der Papst sei zwar weniger als Gott, so seine Auffassung, aber doch mehr als ein gewöhnlicher Mensch. Innozenz war es auch, der erstmals den Titel »Stellvertreter Christi« führte, und nicht mehr nur »Stellvertreter des Petrus«, wie es seine Vorgänger taten. »Vicario di Gesù Cristo« heißt es noch heute in der Titulatur Benedikts XVI ., der 807 Jahre nach Innozenz den römischen Bischofsstuhl bestieg. Der Titel ist zur Tradition geworden, aber ist es eine ehrwürdige Tradition, der da gefolgt wird?
Doch auch der von Papst Innozenz III . initiierte Vierte Kreuzzug führte nicht zu dem Resultat, das sich der Papst gewünscht hatte. Die Kreuzfahrer wollten diesmal jede Auseinandersetzung mit den Byzantinern und den Rum-Seldschuken in Anatolien vermeiden, stattdessen sollte die Flotte Venedigs sie nach Ägypten bringen, dem Machtzentrum der von Sultan Saladin begründeten ayyubidischen, die inzwischen auch Jerusalem besetzt hielten. Nur verfügten die Kreuzfahrer nicht über das nötige Geld, um die Venezianer für ihre Dienste zu bezahlen. Der Doge und die venezianischen Kaufleute machten den Kreuzrittern ein
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