Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
Erteilung von Beratungsbescheinigungen, verdunkele das das Zeugnis der Kirche für das Leben.
Diese kompromisslose Position wurde innerkirchlich nicht von allen geteilt, in Deutschland führte der Durchgriff des Papstes, der auch die deutschen Bischöfe belastete, zu erheblicher Unruhe und Empörung. Die Anhänger der Beteiligung an der Schwangerenkonfliktberatung verwiesen darauf, dass gerade die Beratung durch kirchliche Organisationen als gewissermaßen letzter Appell an das Gewissen der Frau verstanden werden müsse und sich ja nachweislich viele Frauen deshalb entschlossen hätten, ihr Kind anzunehmen. Aber Rom hatte gesprochen und der Fall war damit erledigt. Nun, nicht ganz erledigt, denn es wurde von Katholiken ein Verein gegründet, Donum vitae, der die Arbeit der bisherigen katholischen Beratungsstellen fortsetzt. Kirchlicherseits wurde dies den Beteiligten übel vermerkt. Und auf Druck aus Rom ordneten die Bischöfe an, dass es zwischen Donum vitae und katholischen Verbänden keinerlei Zusammenarbeit geben dürfe: Es darf kein Raum gemeinsam genutzt und schon gar kein Personal ausgetauscht werden. Darüber hinaus ist es Katholiken, die eine offizielle Funktion in einem kirchlichen Verband bekleiden, verboten, bei Donum vitae mitzuwirken. Als 2009 ein neuer Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gewählt werden sollte, verweigerten die Bischöfe dem zunächst einzigen Kandidaten, dem CDU -Politiker Heinz-Wilhelm Brockmann, ihre notwendige Zustimmung, weil er Gründungsmitglied von Donum vitae war. Nein, in der Frage der Abtreibung lässt die Kirche heute ihren Gläubigen keinerlei Spielraum für Gewissensentscheidungen, selbst wenn der Einzelfall noch so haarsträubend ist.
Der moralische Rigorismus der Kirche in allen Dingen, die mit Ehe, Familie und Sexualität zu tun haben, geht einher mit einer Freude, alle möglichen Sachverhalte im Detail zu regulieren. Noch Paul VI . befasste sich in Lehrschreiben mit dem Verbot der Sterilisierung, des vorehelichen Geschlechtsverkehrs, der Selbstbefriedigung auch im Jugendalter und der Ausübung von Homosexualität. Die Instruktion Donum Vitae (»Geschenk des Lebens«) der Glaubenskongregation von 1987 widmete sich den inzwischen erreichten oder in Reichweite scheinenden Methoden der künstlichen Befruchtung und der Eingriffe ins menschliche Erbgut. Verboten wurde jede Form der Befruchtung von Eizellen außerhalb des Mutterleibs, also im Reagenzglas, egal ob Ei- und Samenzelle von Eheleuten stammten oder von fremden Personen. Das Einfrieren von Embryonen zur späteren Verwendung wurde genauso untersagt wie jede Art der Leihmutterschaft oder der Aufzucht von Embryonen in künstlichen Apparaten oder mithilfe von tierischen Ersatzmüttern. Auch das Klonen und überhaupt jegliche Eingriffe ins menschliche Erbgut fallen unter das Verdikt der Kirche.
Nun kann man angesichts der sich abzeichnenden Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin durchaus die Sorge nachvollziehen, dass hier Grenzen vielleicht überschritten werden, die nicht überschritten werden sollen. Aber es ist der Ton, der erschrecken lässt. Hier wird nicht freundlich ermahnt, nicht durchdacht argumentiert, es wird schroff verordnet. Die Aussicht, vielleicht einem Ehepaar einen lang ersehnten Kinderwunsch zu ermöglichen, oder die Hoffnung eines Arztes, den Ausbruch einer tückischen Krankheit zu verhindern, zählen wohl von vornherein nichts.
Ähnlich positioniert sich die Kirche in der Frage, ob es erlaubt sei, zur Verminderung der Ausbreitung von Aids und anderer Geschlechtskrankheiten – ein Problem, das in Afrika ganze Völker zusammenbrechen lässt – den Gebrauch von Kondomen zu bewerben und Kondome den möglichen Zielgruppen überhaupt verfügbar zu machen. Präservative sind nach Auffassung der Kirche strikt verboten, die Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten verhindert am sichersten Enthaltsamkeit. Oder, um das Argument umzukehren, Krankheit ist eben eine Folge der Sünde, der Verletzung der kirchlichen Sexuallehre. Kann das richtig sein? Selbst wenn man jedweden außerehelichen Sex als Sünde ansieht – entspricht es wirklich dem Christentum, den Sünder dann gleich zum Tod zu verurteilen? Und in der nicht nur afrikanischen Wirklichkeit bedeutet eine Aids-Erkrankung immer noch schlimmes Siechtum und frühen Tod. In Afrika und andernorts bietet die rigorose kirchliche Sexualmoral all denen Steine statt Brot an, die in der Verantwortung für Jugendliche stehen. Dürfen
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