Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
katholische Eltern und Erzieher an junge Leute lediglich appellieren, nichtehelichen Sex als Sünde zu meiden? Oder dürfen sie versuchen, schädliche Folgen des nun einmal in den meisten Fällen vorhersehbaren Verhaltens unabhängig von seiner moralischen Beurteilung zu vermeiden? Der Anspruch der Kirche an das Verhalten der Gläubigen zwingt diese in einen Loyalitätskonflikt zwischen dem Wunsch, der Kirche zu folgen, und der Pflicht, das möglichst Beste für Abhängige zu tun. Und das scheint nicht im Sinn des Erfinders zu sein.
Zum Schluss: die Frauen
Die veränderte gesellschaftliche Rolle der Frau setzt die Kirche einem Erwartungsdruck aus, auch in diesem Punkt ein aggiornamento zu erreichen, das heißt konkret: Frauen in die Leitungsebene der Kirche zu berufen und sie vielleicht sogar zu Priesterinnen zu weihen. Am Ende einer solchen Entwicklung stünde – irgendeines fernen Tages – die Wahl einer Frau in das Amt des Pontifex. Unter Berücksichtigung des üblichen kirchlichen Reformtempos kann man freilich die Anhänger der Frauenweihe vor Euphorie nur warnen und ihre Gegner beruhigen. Wer heute lebt, wird eine Päpstin in Rom nicht erleben. Die theologische Argumentation pro und contra spielt an dieser Stelle keine Rolle, wir beschränken uns auf die äußere Sicht der Dinge. Jedenfalls werden in etlichen christlichen Kirchen, die in der Tradition der Reformation stehen, Frauen zu Pastorinnen ordiniert, wie es dort heißt. In Deutschland, das hier zu den Vorreitern gehörte, wurde mit Elisabeth Haseloff 1958 erstmals eine Frau protestantische Pastorin, 1992 gab es mit Maria Jepsen die erste protestantische Bischöfin. Seitdem wird die katholische Kirche die Diskussion nicht los, warum nicht auch in ihr Frauen zu Priesterinnen geweiht werden könnten. Denn wenn überall in der Gesellschaft Frauen alles machen dürfen und können, läuft die Position, wonach das Priestertum Männern vorbehalten sei, dem allgemeinen Lebensgefühl zuwider. Eine solche Position ist unter den Bedingungen einer Mediengesellschaft nicht zu verteidigen und stellt für ihre Vertreter eine Dauerbelastung ihres Images dar.
Das hat die Kirche natürlich geahnt und deshalb frühzeitig versucht, eine solche Situation gar nicht erst entstehen zu lassen. Ausgehend von der grundsätzlichen Verschiedenheit der Aufgaben von Mann und Frau hatte Papst Leo XIII . ( 1878 – 1903 ) gelehrt: »Der Mann ist der Herr der Familie und das Haupt der Frau. Da diese jedoch Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein ist, soll sie dem Mann nicht wie eine Dienstbotin, sondern wie eine Gefährtin unterworfen sein und gehorchen, so leistet sie den Gehorsam nämlich ehren- und würdevoll.« Pius XI . setzte diese Linie fort und erklärte 1930 in seinem Lehrschreiben zur christlichen Ehe: »Dieser Gehorsam der Frau ihrem Mann gegenüber kann nach den unterschiedlichen Umständen verschieden ausgestaltet sein und wenn der Mann seine Pflicht versäumt, muss ihn die Frau als Haupt der Familie vertreten. Aber die Struktur der Familie selbst und ihr von Gott festgelegtes Grundverständnis zu zerstören ist nie und nirgends erlaubt.« Diese Zitate beschreiben das Rollenverständnis der katholischen Frauen – zumindest in der Ausprägung, wie sie bis weit in die zweite Hälfte des 20 . Jahrhunderts vorherrschend war. Das heißt auch: Genau das war das Rollenverständnis, welches katholische Mütter dieser Epoche an ihre Söhne, also auch an die heutigen Kirchenführer, weitergegeben haben. Und was in dieser Hinsicht die Kirchenoberen seitdem an Neuem gelernt haben, das wissen sie aus Büchern, nicht aus dem wirklichen Leben. Und so nimmt es nicht wunder, dass die Rolle der Frau in der Kirche bis heute nach diesem Rollenverständnis definiert wird.
Dabei gab es seit dem Mittelalter durchaus vereinzelt Frauen in Führungspositionen der Kirche. Am weitesten brachten es die Äbtissinnen, deren Klöster den Status eines Reichsfürstentums hatten. Sie verfügten neben ihrer Funktion als Abteivorsteherin auch über die Landeshoheit und oft über einen Sitz auf dem Reichstag. Über die häufig zur Landesherrschaft gehörenden Patronatsrechte konnten sie auch Pfarrer einsetzen. Die Äbtissin von Las Huelgas, einer spanischen Zisterzienserinnenabtei in der Nähe von Burgos, bekleidete sogar de facto die gleiche Rechtsstellung wie ein Bischof und durfte sich Prälat nennen. Und ihre Kollegin, die Äbtissin von San Benedetto in Conversano bei Bari,
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