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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Staaten zu gelangen, sondern darüber hinaus den Anspruch zu begründen, eine geistliche Macht zu sein, die den lediglich weltlichen Herrschern übergeordnet ist. Die Funktion des obersten christlichen Feldherren erlangten die Päpste Hand in Hand mit ihrer neuen Titulierung als »Stellvertreter Christi«. Und bis ins 20 . Jahrhundert vertrat die Kirche die Kreuzzugsidee, zuletzt im schändlichen Äthiopienüberfall Mussolinis.
    Was das Judentum anbelangt, das heute als »ältere Schwester« der Christenheit gilt, ist die Rolle der Kirche immer noch ambivalent. Starke Bataillone in der Kirche akzeptieren die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil getätigten Lehrmeinungen nicht und stehen bis heute in der Tradition des unseligen Antijudaismus. Und die Signale, die die Kirche in jüngster Zeit aussendet – sei es die Affäre um den Piusbruder Williamson, sei es die Frage der Karfreitagsfürbitte im Alten Ritus oder der Fortschritt im Heiligsprechungsprozess für Papst Pius XII . –, müssen in der jüdischen Welt Zweifel provozieren.
    Lateinamerika, die katholische Wachstumsregion schlechthin. ist im Geist der erfolgreichen spanischen Reconquista christlich missioniert worden. Daraus wuchs auch eine Tradition der Kumpanei mit den Herrschenden, mit Diktatoren und Militärs, die die Menschenrechte mit Füßen traten. Die »Option für die Armen«, die die Theologie der Befreiung versprach, wurde durch dieses Bündnis weitgehend unterdrückt, witterte die Kirche doch hier ihren damaligen erklärten Hauptfeind, den Kommunismus. Und auch in Afrika stand die Kirche lange, allzu lange auf der Seite brutaler Kolonialherren und hat bis heute den Geist der Gewalttätigkeit nicht einmal bei ihren eigenen Leuten, ja sogar bei Geistlichen nicht besiegt, wie es das Beispiel Ruanda erschreckend deutlich demonstrierte.
    Das heutige Verhalten der Kirche, jedenfalls das Verhalten, das zu den aktuellen Skandalen führt, wird vom Bild einer mächtigen Kirche, die über den weltlichen Gepflogenheiten, ja sogar über der weltlichen Jurisdiktion steht, deutlich begünstigt. Deshalb nahmen sich Kirchenführer bis in die jüngste Vergangenheit das Recht heraus, Priester, die wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger nach staatlichem Recht zu bestrafen wären, vor der Strafverfolgung zu schützen. Deshalb wurden Straftaten vertuscht und Straftäter versetzt – auch auf die Gefahr hin, dass sie neue Straftaten begehen würden. Die rigide kirchliche Sexualmoral half, das Schweigen der Opfer zu sichern, noch dazu wenn die Täter in den Augen der Opfer einen beinah übernatürlichen Status als »geweihte Priester« hatten. Ob die den Priestern verordnete Ehelosigkeit eine Mitursache des sexuellen Missbrauchs von Kindern war, muss nach derzeitigem Kenntnisstand eine offene Frage bleiben. Allzu küchenpsychologische Betrachtungen helfen hier nicht weiter, schon gar nicht den Opfern.
    Besonders verwerflich muss es scheinen, dass Kirchenobere in den letzten Jahrzehnten die sich seit langem, zuerst in den Vereinigten Staaten, abzeichnende Situation nicht zum Anlass nahmen, in ihren eigenen Bistümern und Bildungseinrichtungen aktiv zu werden und dort vorsorglich Gegenmaßnahmen zu treffen.
    Auch beim Umgang mit Geld zeigt sich das Bewusstsein einer »Überstaatlichkeit« der Kirche darin, dass über Jahrzehnte ein ganz kleiner Kreis von keiner wirklichen Kontrolle unterworfenen Mitarbeitern im Vatikan anrüchige Geldgeschäfte, die im Zusammenhang mit Geldwäsche, Korruption und Steuerbetrug standen, in erheblichen Größenordnungen durchführen konnten. Ethische Gesichtspunkte spielten für die Kirche bei der Geldanlage keine Rolle, die Kirchenfinanzen vermehrten sich in einem Filz aus dubiosen Bankern, südamerikanischen Diktatoren, Ustascha-Politikern und frommen Geistlichen. Und die Beziehungen des Vatikans zu italienischen Politikern sind ganz erheblich von finanziellen Interessen beider Seiten geprägt.
    Was die Strukturen in der personell doch sehr dünn ausgestatteten Kirchenzentrale in Rom anbelangt, so ist der informelle Einfluss von Seilschaften festzustellen. In den letzten Jahrzehnten haben hier konservative Orden und andere Vereinigungen stark an Boden gewonnen. Neugründungen aus den spanischsprachigen Ländern fallen durch Kreuzzugsrhetorik auf und verfügen nicht nur über erhebliche Geldquellen, sondern auch über Reservoirs an Priesteramtskandidaten. Mit solchen Mitteln gelangen im Vatikan auch solche Vereinigungen zu Ansehen,

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