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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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die meisten Betroffenen machten dann doch, was sie wollten. Die Kirche hatte sich als ernst zu nehmende Autorität in Sachen Ehe und Familie selbst beschädigt, und dieser Ansehensverlust wirkte sich auch auf andere kirchliche Tätigkeitsfelder negativ aus. Trotzdem fuhr die Kirche mit ihrem rigorosen Kurs fort, jedenfalls immer, wenn es im weiteren Sinn um Sexualität und Familie ging. Die nächste Schlacht ergab sich aus dem Vordringen der Forderung aus Reihen der Frauenbewegung zur strafrechtlichen Freigabe der Abtreibung. Es ist gutes Recht der Kirche, gegen Abtreibung zu sein. Eine andere Frage ist freilich, ob die Kirche verlangen kann, dass staatliche Gesetzgebung ein vollständiges Verbot der Abtreibung mit strafrechtlichen Mitteln durchsetzt. Die Kirche hält das für selbstverständlich.
     
     

Der Teufel im Detail
     
    Moralische Regeln, gerade wenn sie sich auf so schwere Fragen wie diejenige der Abtreibung beziehen, müssen sich auch in extremen Fällen bewähren oder eben nicht. Jedenfalls führen extreme Fälle immer zu lebhaften Diskussionen in der Öffentlichkeit. Wie die Kirche damit umgeht, zeigte sich beispielsweise in einem Fall, der im Frühjahr 2009 für Schlagzeilen sorgte. In Brasilien war ein neunjähriges Mädchen nach einer Vergewaltigung durch ihren Stiefvater schwanger geworden. Es handelte sich um eine Zwillingsschwangerschaft, die das Leben des nur 36 Kilogramm schweren Mädchens bedrohte. Die Mutter des Mädchens stimmte der auf Anraten der Ärzte durchgeführten Abtreibung zu. Nachdem die brasilianische Presse von dem Fall berichtet hatte, meldete sich der damalige Erzbischof von Olinda und Recife José Cardoso Sobrinho zu Wort und erklärte, dass alle Beteiligten an der Abtreibung, also das Mädchen, die Mutter und die beteiligten Ärzte, automatisch exkommuniziert seien. Diese unbarmherzige Haltung, gerade der Neunjährigen gegenüber, schlug hohe Wellen, die auch den Vatikan erreichten. Erzbischof Rino Fisichella, der Präsident der Päpstlichen Kommission für das Leben, veröffentlichte einen korrigierenden Artikel in der Vatikanzeitung Osservatore Romano . Unter der Überschrift »An der Seite des brasilianischen Mädchens« schrieb der Erzbischof, er halte in diesem Fall die juristische Betrachtungsweise für völlig unangemessen. Eher hätte man das Mädchen verteidigen, umarmen und trösten sollen. In solchen sehr schwierigen Umständen müssten die Beteiligten nach ihrem Gewissen entscheiden, was zu tun sei. Doch das sollte nicht das letzte Wort Roms in dieser heiklen Angelegenheit bleiben. Der brasilianische Erzbischof mobilisierte die konservativen Kreise im Vatikan, und so sprach unter Billigung des Papstes die Glaubenskongregation unter ihrem Präfekten Kardinal Levada das Schlusswort. Am 11 . Juli 2009 war im Osservatore Romano die »Klarstellung« zu lesen, dass die Lehre der Kirche bezüglich des absoluten Verbots der Abtreibung unverändert gelte. Auch die Gefahr für das Leben der Mutter sei kein Rechtfertigungsgrund für die Durchführung einer Abtreibung. Das Verhalten des Erzbischofs von Olinda und Recife wurde ausdrücklich gebilligt, er habe den Fall mit »pastoraler Delikatesse« behandelt. Es gilt also immer noch: Im Zweifel für das Lehrgebäude der Kirche, im Zweifel gegen das Mitleid mit den Schwachen, den Kindern, den Opfern. Im Zweifel für die Ankläger – ganz wie es seit der Zeit der Heiligen Inquisition üblich wurde.
     
    In Deutschland wurde ein inhaltlich ganz ähnlicher Konflikt vor zehn Jahren ausgetragen. Das deutsche staatliche Recht sieht vor, dass die Abtreibung straffrei bleibt, wenn sie nach einer Beratung durch eine qualifizierte Stelle erfolgt. Auch katholische Verbände, die Caritas und der Sozialdienst Katholischer Frauen, boten solche Beratungen an. Wie es das Gesetz vorsieht, erhielten die betroffenen Frauen eine Bescheinigung über die Durchführung der Beratung und konnten dann entscheiden, ob sie das Kind behalten oder eine Abtreibung durchführen wollten. Diese Praxis hatte gut zwanzig Jahre Bestand und wurde zunächst von den deutschen Bischöfen gebilligt. Doch Rom war dagegen, der Druck auf die deutschen Bischöfe wurde immer stärker, bis schließlich 1999 Papst Johannes Paul II . unter Berufung auf sein Jurisdiktionsprimat den katholischen Verbänden verbot, sich an dem Beratungssystem weiter zu beteiligen. Der Papst sah es so: Jede Abtreibung ist Mord, und wenn Katholiken sich daran beteiligen, und sei es auch nur durch

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