Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
durfte eine Bischofsmütze tragen und die Jurisdiktion über die Geistlichkeit des Klosterbezirkes ausüben. Die meisten dieser hohen Ämter für Frauen erledigten sich durch die Säkularisation in Deutschland nach 1803 , und für ihre Wiederherstellung regte die Kirche auf dem Wiener Kongress keine Hand.
Die Französische Revolution beendete auch die siebenhundertjährige Tradition der Abtei von Fontevraud, ein Klosterkomplex für Frauen und Männer, der einschließlich der Priester von einer Äbtissin geleitet wurde. Die Äbtissin von Las Huelgas wurde 1873 von Papst Leo XIII . ihrer speziellen Rechte beraubt. Damit waren die letzten weiblichen Bastionen geschleift und die Kirche endgültig zur Männergesellschaft geworden. Es passt dazu, dass es der Gründer des Opus Dei war, Josemaría Escrivá, der mit einem kirchenrechtlichen Werk über die Äbtissinnen von Las Huelgas die Abschaffung der alten Prälatenrechte rechtfertigte. Und eine Männergesellschaft ist die Kirche bis heute geblieben, jedenfalls was die Leitung anbelangt. Nur einige fortschrittliche Bischöfe haben in den letzten Jahren in ihren Verwaltungen auch weibliche Kräfte in leitende Funktionen befördert. Im Vatikan kommen in Spitzenpositionen keine Frauen vor, dort werden in der Regel ohnehin nur Priester eingesetzt. Auf der mittleren Ebene wurden in den letzten Jahren sehr vereinzelt Frauen beschäftigt, lediglich Nonnen, die als Sekretärinnen arbeiten, gibt es viele. 2003 schaffte es erstmals eine Frau auf die Stelle der Präsidentin einer päpstlichen Akademie; und ranghöchste Frau im Vatikan ist heute Schwester Enrica Rosanna als Untersekretärin – was hier allerdings eine Leitungsfunktion bezeichnet – der Kongregation für die Ordensgesellschaften.
Benedikt XVI . hatte sich zwar 2006 noch ausdrücklich wohlwollend über die Beschäftigung von Frauen in der Führungsetage des Vatikans geäußert, nur geschehen ist seither wenig. Immerhin ist das Leitungsmodell der Abtei von Fontevraud überraschenderweise wiedergekehrt. Die Focolari, eine der einflussreichen unter den neuen geistlichen Gemeinschaften, erhielten nach dem Tod ihrer Gründerin Chiara Lubich ein Statut, wonach das Amt der Präsidentin immer von einer Frau besetzt wird, und das, obwohl der Bewegung viele Priester und Bischöfe angehören. Aber der Einfluss von Frauen auf die Kirchenführung findet bis heute – wenn überhaupt – auf informellem Weg statt. Das reicht von Äbtissinnen, wie Hildegard von Bingen, die Päpsten ihre Meinung unverblümt mitteilte, bis zu Papsthaushälterinnen, unter denen es die Deutsche Pascalina Lehnert, die 40 Jahre lang für Kardinal Pacelli, den späteren Papst Pius XII ., den Haushalt führte, zur Berühmtheit brachte. Aber offizielle einflussreiche Ämter haben Frauen in der Kirche bisher nie erlangt, die alte Geschichte von der Päpstin Johanna ist nur eine Legende. Um hieran etwas zu verändern, müsste die Kirche entweder von der Voraussetzung abgehen, dass für die wirklich wichtigen Ämter nur Priester taugen, oder aber sie müsste die Priesterweihe für Frauen öffnen. Die Frage ist kaum zu entscheiden, welche Alternative der Kirche schwerer fiele. Auch hier scheint sie an der Last eherner Grundsätze zu leiden, die ihr jede Bewegung – und erst recht jede kreative Bewegung – erschwert.
Resümee
Den Lesern, die dem Text dieses Buches bis hierher gefolgt sind, gilt der Dank des Autors. In neun Kapiteln wurde das Sündenregister der Kirche aufgeblättert, ohne kleinlich zu sein, aber natürlich auch, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Es geht um die Untaten und die Fehlentscheidungen, die bis heute fortwirken, die sozusagen die Wurzeln der aktuellen Skandale und der sündhaften Strukturen der Kirche bilden, die sich in der deutschsprachigen Öffentlichkeit in besonderer Weise im Jahr 2010 manifestiert haben. Dazu war in die Tiefen der Geschichte hinabzusteigen, um die Gründe für Fehlentwicklungen zu suchen.
Ein erster Fund war die Entscheidung der Kirche für die Option der Gewalt bei der erfolgreichen Vertreibung der Mauren aus Spanien und in den letztlich erfolglosen Kreuzzügen. Es war festzustellen, dass die Unternehmungen zur Eroberung des Heiligen Landes und einzelne besonders brutale Begebenheiten, die sich dabei ereigneten, das Verhältnis der Kirche zum Islam bis heute belasten. Die Kreuzzüge boten der Kirche die Gelegenheit, nicht nur auf Augenhöhe mit Regenten und
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