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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Überlegungen, sondern machte handfeste Vorschläge, wie mit Juden, die sich nicht bekehren wollten, umzugehen sei. 1543 schrieb er: »Erstlich, daß man ihre Synagogen mit Feuer anzünde und, was nicht verbrennen will, mit Erden überhäufe und zuschütte, damit kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Und solches soll man tun, unserm Herrn und der Christenheit zu Ehren damit Gott sehe, daß wir Christen seien. – Zum zweiten, daß man auch ihre Häuser ebenso zerbreche und zerstöre.« Jüdische Bücher sollten verboten werden, Rabbiner nicht mehr lehren dürfen. Geld und Gut sei den Juden wegzunehmen, stattdessen sollten sie mit niedriger Arbeit ihr Brot verdienen müssen.
    Ein anderer Augustinermönch wurde ein besonders berühmtes Glied in der Kette der antijüdischen Tradition: Abraham a Sancta Clara, der in Wien als Prediger wirkte, seit 1677 sogar als kaiserlicher Hofprediger. Sein Nachruhm beruht auf seiner gekonnten Sprachgestaltung in blumig-derbem Barockstil. Leider nutzte er diese Fähigkeit auch zur Verbreitung und Verfestigung der Vorurteile gegen die Juden, die »durch den Tod, welchen sie dem wahren Messias und Heiland der Welt angetan, verschuldet haben, daß sie Gott mit gleicher Münze bezahlt«. Eine Million Juden habe Gott durch Pest, Hunger und Schwert umkommen lassen. Und der Augustinermönch fährt fort: »Es ist auch […] zu merken, daß alle Nachkömmlinge derjenigen Juden, durch deren Hände der Herr Jesus gelitten, noch bis zum heutigen Tag mit gleicher Münz bezahlt werden.« Heutige Verteidiger dieser geistlichen Herrn erklären deren Antijudaismus gern mit dem Zeitgeist. Freilich, diese Einstellung war Teil des Zeitgeistes. Aber sie vergessen, dass dieser Zeitgeist seit hunderten von Jahren von christlichen Theologen und Predigern aufgebaut worden war.
     
     

Werner, Simon und Anderl – Heiligenverehrung und Judenhass
     
    Wie zäh sich dieser antijüdische Geist hält, wie schwer es ist, einmal verwurzelte Vorurteile aus den Köpfen und Herzen zu bekommen, zeigt sich auch am kirchlichen Umgang mit Opfern vermeintlicher Ritualmorde. Der älteste heute noch bekannte Fall im deutschen Sprachraum ist der des Werner von Oberwesel, nach dem die heute noch bestehenden Wernerkapellen in Bacharach und in Oberwesel benannt sind. Der Jugendliche wurde am Ostersonntag des Jahres 1287 tot aufgefunden, und rasch wurde das Gerücht gestreut, die örtlichen Juden hätten sein Blut zur Passahfeier genutzt. Es kam zu regionalen Judenpogromen, und schon 1289 errichtete man die erste Wernerkapelle. Der Kult wurde im 15 . Jahrhundert kirchlich anerkannt und verbreitete sich bis nach Frankreich. Erst 1963 strich der Bischof von Trier den heiligen Werner aus dem Festkalender des Bistums.
    Hartnäckig hielt sich auch der Kult um den kleinen Simon von Trient, ein Kind, das auch zu Ostern 1475 aufgefunden wurde – wieder fiel der Verdacht auf die Juden. Der Bischof von Trient, Johann Hinderbach, ließ 14 Juden hinrichten und ihr Vermögen zu seinen Gunsten einziehen. Für Simonino wurde im Trientiner Dom eine eigene Kapelle eingerichtet, und 1584 wurde dessen Kult von Papst Gregor XIII . ( 1572 – 1585 ) anerkannt. Die Aufhebung des Kultes erfolgte erst 1965 . In der schönen Altstadt von Trient findet sich noch heute ein altes Relief an einer Hauswand, das den angeblichen Ritualmord darstellt.
    Wie die Geschichten von den Hostienschändungen, die fast gleichlautend in über 100 Orten Mitteleuropas erzählt wurden, wanderte auch der Kult um von Juden angeblich geschändete Kinder. In Hall im Inntal wirkte im frühen 17 . Jahrhundert der aus Trient stammende Arzt und Hobbytheologe Hippolyt Guarinoni. Er publizierte ein Buch über einen ganz ähnlichen Fall wie den des Simonino, der sich justament im gegenüber von Hall auf den Bergen über dem Inn gelegenen Weiler Rinn zugetragen haben soll. Der Tod des Anderl (Andreas) von Rinn, der sich angeblich schon 1462 ereignet hatte, war zwar längst vergessen. Doch aufgrund des Buches entwickelte sich eine alljährliche Wallfahrt zum »Judenstein« nach Rinn; 1755 nannte Papst Benedikt XIV . ( 1740 – 1758 ) Anderl einen Seligen und gewährte den Wallfahrern einen Ablass. Nach dem Zweiten Weltkrieg strich der Innsbrucker Bischof die Wallfahrt zum »Judenstein« und den Festtag des Anderl von Rinn 1953 aus dem Diözesankalender. Aber der im Volk stark verwurzelte Kult wurde trotzdem weiter gepflegt. 1994 ließ Bischof Reinhold Stecher die

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